Der Thron von Melengar: Riyria 1 (German Edition)
aufgehängt und suchte nun diverse Gefäße zusammen, um sie in den Regen hinauszustellen.
Alric beachtete den Mönch gar nicht, sondern wandte sich empört an Royce. »Mein Vater hätte niemals einen so heimtückischen Überfall befohlen! Dass Imperialisten in das Kloster eindringen, hätte ihn mehr empört, als dass sich irgendwelche nationalistischen Revolutionäre hier treffen. Das sind doch nur Träumer! Aber die Imperialisten sind organisiert. Sie haben die Kirche hinter sich. Meine Familie ist von jeher zutiefst royalistisch, überzeugt vom gottgegebenen Recht der Könige, mit Hilfe ihrer Edelleute zu herrschen, und von der unantastbaren Souveränität eines jeden Königreichs. Unsere größte Angst ist nicht, dass irgendein Pöbelhaufen sich einbildet, die Herrschaft von Recht und Gesetz stürzen zu können. Unsere Sorge ist es, dass die Imperialisten eines Tages ihren Erben Novrons finden und von allen Königreichen der vier Nationen Apeladorns verlangen, dass sie einem neuen Imperator Gefolgschaft leisten.«
»Ja, Ihr wollt, dass alles so bleibt, wie es ist«, bemerkte Royce. »Ihr seid ja auch König, da ist das nicht weiter verwunderlich.«
»Du bist zweifellos ein strammer Nationalist und hältst es für das Beste, allen Adligen den Kopf abzuschlagen, ihre Ländereien an die Bauern zu verteilen und diese mitbestimmen zulassen, wer sie wie regiert«, sagte Alric zu Royce. »Das würde alle Weltprobleme lösen, nicht wahr? Und euch würde es natürlich nützen.«
»Wenn Ihr es genau wissen wollt«, sagte Royce, »ich habe keine politischen Präferenzen. Die würden mir nur beruf lich schaden. Adelige oder Gemeine, alle lügen und betrügen und bezahlen mich dafür, dass ich die Drecksarbeit für sie mache. Ganz egal, wer regiert, die Sonne scheint weiter, die Jahreszeiten wechseln weiter und die Leute konspirieren weiter. Wenn Ihr mich unbedingt in eine Schublade stecken wollt: ich sehe mich am ehesten als Individualisten.«
»Und deshalb werden sich die Nationalisten nie so weit organisieren, dass sie eine echte Bedrohung darstellen.«
»Delgos scheint doch ganz gut organisiert, und das ist eine Republik – regiert vom Volk.«
»Die da unten sind doch nur ein Haufen Krämer.«
»Ein bisschen mehr sind sie wohl schon.«
»Egal. Wichtig ist doch: Warum stört es Imperialisten so sehr, dass ein paar Revolutionäre sich in Melengar treffen?«
»Vielleicht dachte Ethelred ja, sein Markgraf wolle ihnen helfen – wie habt Ihr es formuliert? –, allen Adligen die Köpfe abzuschlagen.«
»Lanaklin? Meinst Du das ernst? Victor Lanaklin ist kein Nationalist. Nationalisten sind Leute aus dem gemeinen Volk, die den Adligen die Macht rauben wollen. Lanaklin ist Imperialist, wie der ganze Adel von Warric. Sie sind religiöse Eiferer, die ein einziges großes Imperium unter der Herrschaft des Erben Novrons wollen. Sie glauben, er wird auf wundersame Weise alle Länder einen und in ein paradiesisches Zeitalter führen. Das ist genauso Wunschdenken wie die Phantasien der Nationalisten.«
»Dann waren es wohl doch nur irgendwelche Liebeshändeleien«,sagte Hadrian.
Alric seufzte und schüttelte resigniert den Kopf. Er stand auf und hielt die Hände ans Feuer. »Wie lange dauert das mit dem Frühstück, Myron? Ich bin am Verhungern.«
»Ich fürchte, ich habe euch nicht viel zu bieten«, sagte Myron. Er stellte ein kleines Gittergestell über das Feuer. »In einem Sack in der Ecke sind ein paar Kartoffeln.«
»Das ist alles, was du hast, stimmt’s?«, fragte Royce.
»Tut mir sehr leid«, antwortete Myron; es schien ihm wirklich peinlich zu sein.
»Nein, ich meine, diese Kartoffeln sind alles, was du zu essen hast. Wenn wir sie essen, hast du gar nichts mehr.«
»Ach.« Er tat Royces Feststellung mit einem Achselzucken ab. »Ich komme schon irgendwie zurecht. Macht euch um mich keine Sorgen«, sagte er optimistisch.
Hadrian holte den Sack, schaute hinein und gab ihn dann dem Mönch. »Da sind nur acht Kartoffeln drin. Wie lange wolltest du denn noch hierbleiben?«
Myron sagte eine Weile gar nichts und dann, an niemand Bestimmten gerichtet: »Ich gehe nicht weg. Ich muss hier bleiben. Ich muss alles wiederherstellen.«
»Was wiederherstellen, das Kloster? Das ist aber eine ziemlich gewaltige Aufgabe für einen einzelnen Mann.«
Er schüttelte den Kopf. »Die Bibliothek, die Bücher. Daran habe ich gestern Abend gearbeitet, als ihr gekommen seid.«
»Die Bibliothek gibt es nicht mehr, Myron«, rief
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