Der Thron von Melengar: Riyria 1 (German Edition)
sich rasch zum ernsthaften Zweikampf. Die Hiebe kamen immer schneller, wuchtiger und präziser. Das Klirren und Klingen des Stahls hallte von den Burgmauern wider. Das Knurren und Fluchen wurde grimmiger. So ging es eine ganze Zeitlang hin und her. Plötzlich vollführte Mauvin ein brillantes Manöver: Nach einer Linksfinte führte er einen Streich nach rechts, drehte sich mit dem Schwung der Bewegung um seine eigene Achse und kehrte Hadrian den ungeschützten Rücken zu. Hadrian reagierte natürlich mit einer Riposte, doch Mauvin fing seine Klinge ab, ohne sie sehen zu können, eine intuitive Glanzleistung. Mit einer erneuten, schnellen Drehung führte Mauvin sein Schwert gegen Hadrians ungedeckte Seite. Doch eheer den Streich landen konnte, schnellte Hadrian auf ihn zu, sodass Mauvins Klingenschwung hinter seinem Rücken verpuffte. Hadrian klemmte Mauvins Schwertarm unter dem eigenen Arm ein und setzte dem Jüngling sein Schwert an die Kehle. Mauvins Geschwister schnappten erschrocken nach Luft. Royce schmunzelte nur schadenfroh. Hadrian gab Mauvin frei.
»Wie hast du das gemacht?«, fragte Mauvin. »Ich habe einen makellosen Vi’shin-Wirbel gegen dich geführt, eins der schwierigsten Manöver des Tek’chin. Das hat noch nie jemand gekontert.«
Hadrian zuckte die Achseln. »Es gibt immer ein erstes Mal.« Er warf das Schwert wieder zu Fanen hinüber. Es blieb zwischen den Füßen des Jungen im Boden stecken. Anders als bei dessen Wurf drang es mit der Schneide und nicht nur mit der Spitze ein, sodass das Heft nicht hin- und herschwang.
Den Blick auf Hadrian gerichtet und einen ehrfürchtigen Ausdruck im Gesicht, sagte Denek zu Royce: »Das muss aber eine ganz schön grimmige alte Frau mit einem ganz schön großen Butterstampfer gewesen sein.«
***
»Alric?« Der Prinz war auf seiner Wanderung durch die Burg in einer der Vorratskammern gelandet; er saß in einem Bogenfenster und blickte auf die Hügel im Westen hinaus. Die Stimme seines Freundes riss ihn aus seinen Gedanken, und jetzt erst merkte er, dass er weinte.
»Entschuldige«, sagte Mauvin, »aber Vater sucht dich. Die Adligen aus der Umgebung treffen allmählich ein, und ich glaube, er will, dass du zu ihnen sprichst.«
»Schon gut«, sagte Alric, wischte sich die Tränen von denWangen und blickte noch einmal sehnsüchtig zur untergehenden Sonne hinaus. »Ich muss länger hier gesessen haben, als ich dachte. Habe wohl gar nicht gemerkt, wie die Zeit vergeht.«
»Das passiert einem hier drinnen leicht.« Mauvin ging im Raum umher und nahm eine Flasche Wein aus einer Kiste. »Weißt du noch, der Abend, als wir uns hier heruntergeschlichen und drei von diesen Flaschen getrunken haben?«
Alric nickte. »Danach ging’s mir richtig schlecht.«
»Mir auch, aber wir haben es trotzdem geschafft, am nächsten Tag mit auf die Hirschjagd zu gehen.«
»Es durfte ja niemand merken, dass wir Wein getrunken hatten.«
»Ich dachte, ich sterbe, und als wir dann zurückkamen, stellte sich heraus, dass uns Arista, Lenare und Fanen schon am Vorabend verpetzt hatten.«
»Ja, ich erinnere mich.«
Mauvin studierte seinen Freund eingehend. »Du wirst ein guter König sein, Alric. Und dein Vater wäre sicher stolz auf dich.«
Alric erwiderte zunächst nichts. Er nahm eine Flasche aus der Kiste und wog sie in der Hand. »Ich gehe wohl besser wieder nach oben. Ich habe ja jetzt Pflichten. Ich kann mich nicht mehr hier unten verstecken und Wein trinken, so wie früher.«
»Ach, das könnten wir wohl schon, wenn es wirklich dein Wunsch ist.« Mauvin grinste diabolisch.
Alric lachte und umarmte ihn. »Du bist ein guter Freund. Tut mir leid, dass wir jetzt nie nach Percepliquis kommen.«
»Macht nichts, außerdem, wer weiß? Vielleicht kommen wir ja eines Tages doch noch hin.«
Als sie die Vorratskammer verließen, wischte Alric sich dieHände, weil daran Dreck von Mauvins Rücken haftete. »Ist Fanen inzwischen so gut, dass er dich zu Boden gezwungen hat?«
»Nein, das war der eine von den Dieben, die du mitgebracht hast, der große. Wo hast du den denn aufgetrieben? Seine Fechtkünste sind außergewöhnlich. Ich würde sogar sagen, ziemlich bemerkenswert.«
»Ach ja? Aus dem Mund eines Pickering ist das ein sehr großes Lob.«
»Ich fürchte, wenn es so weitergeht, wird der Pickering-Mythos nicht mehr lange halten: Vater unterliegt Percy Braga, und jetzt werde auch ich noch von einem gemeinen Gauner in den Staub geworfen. Wie lange wird es wohl noch dauern, bis
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