Der Thron von Melengar: Riyria 1 (German Edition)
mit ihm zusammengesetzt und von Mann zu Mann mit ihm geredet hatte, sich nie Rat und Anleitung von ihm geholt hatte, um sich für diesen Tag zu rüsten. Er fühlte sich so allein und so unsicher, ob er den Aufgaben, die auf ihn zukamen, gewachsen war. Am liebsten wäre er einfach verschwunden.
***
Das Klirren von Metall auf Metall weckte Hadrian. Nach Ellas Frühstück war er in den Burghof spaziert, und obwohl es deutlich kälter wurde, hatte er ein sonnenbeschienenes, weiches Rasenplätzchen gefunden, das ihn zu einem Nickerchen einlud. Eigentlich hatte er nur kurz die Augen zumachen wollen, doch als er sie wieder aufschlug, war es schon einiges nach Mittag. Auf der anderen Seite des Hofes waren die Pickering-Söhne wieder bei ihren Fechtübungen.
»Greif mich noch mal an, Fanen«, befahl Mauvins Stimme, durch den Helm halb erstickt.
»Warum? Du verpasst mir doch bloß wieder eins.«
»Du musst es lernen.«
»Ich sehe nicht ein, warum«, protestierte Fanen. »Ich werde mein Leben doch nicht als Krieger oder Turnierkämpfer zubringen. Ich bin der zweitgeborene Sohn. Ich werde in irgendeinem Kloster landen und Bücher in Regale stellen.«
»Zweitgeborene Söhne gehen nicht ins Kloster, nur drittgeborene.« Mauvin klappte sein Visier hoch, um Denek anzugrinsen. »Der Zweitgeborene ist der Ersatzmann. Du musstausgebildet bereitstehen, falls ich an irgendeiner seltenen Krankheit sterbe. Wenn das nicht passiert, wirst du durch die Lande ziehen und deinen Lebensunterhalt selbst bestreiten, entweder als Söldner oder im Turnierzirkus. Oder wenn du Glück hast, ergatterst du eine Stellung als Marschall, Konnetabel oder dergleichen bei irgendeinem Herzog oder Grafen. Heutzutage ist das fast so gut wie eigenes Land. Aber du wirst weder einen solchen Posten bekommen, noch dich als Söldner oder Turnierkämpfer lange halten, wenn du nicht kämpfen kannst. Also greif mich noch mal an, und diesmal dreh dich weg und mach dann den Ausfall.«
Hadrian ging zu den fechtenden Brüdern hinüber und setzte sich neben Denek ins Gras, um zuzuschauen. Denek, der erst zwölf war, sah ihn neugierig an. »Wer seid ihr?«
»Ich heiße Hadrian«, sagte er und streckte dem Jungen die Hand hin. Der drückte sie fester als nötig. »Du bist Denek? Der drittgeborene Sohn der Pickerings? Vielleicht solltest du mal mit meinem Freund Myron reden, wenn du, wie ich eben gehört habe, ein Leben im Kloster führen wirst.«
»Werde ich nicht!«, rief der Junge. »Ins Kloster gehen, meine ich. Ich kann genauso gut kämpfen wie Fanen.«
»Das würde mich nicht überraschen«, sagte Hadrian. »Fanen ist schwerfüßig und hält das Gleichgewicht nicht richtig. Und er wird auch nicht viel besser werden, weil Mauvin sein Lehrmeister ist und Mauvin den Ausfall mit dem rechten Bein bevorzugt und zu viel auf dem linken wippt.«
Denek grinste Hadrian an und wandte sich dann an seine Brüder. »Hadrian sagt, ihr kämpft beide wie Mädchen.«
»Was?«, fragte Mauvin, während er Fanens halbherzigen Stoß beiseite schlug.
»Oh, äh, nichts«, versuchte Hadrian zu widerrufen und funkelte Denek grimmig an. Der grinste nur. »Besten Dank«,zischte er den Jungen an.
»Du glaubst also, du kannst mich im Zweikampf schlagen?«, fragte Mauvin.
»Nein, nein. Ich habe dem kleinen Denek hier nur erklärt, warum ich nicht glaube, dass er ins Kloster gehen muss.«
»Weil wir wie Mädchen kämpfen«, sagte Fanen.
»Nein, nichts dergleichen.«
»Gib ihm dein Schwert«, befahl Mauvin Fanen.
Fanen warf Hadrian sein Schwert zu. Schwingend blieb es knapp vor dessen Füßen im Rasen stecken.
»Du bist doch einer der Diebe, von denen uns Alric erzählt hat?« Mauvin führte in der Luft ein paar gekonnte Streiche, wie er sie im Übungskampf mit seinem Bruder nicht gezeigt hatte.
»Bei all den Abenteuern, die ihr zusammen bestanden habt, kann ich mich doch nicht erinnern, dass Alric etwas von deinen herausragenden Fechtkünsten gesagt hätte.«
»Ach, wahrscheinlich hat er’s einfach vergessen«, witzelte Hadrian.
»Du weißt um das legendäre Familienerbe der Pickerings?«
»Man sagt, dass Eure Familie meisterlich mit dem Schwert umgeht.«
»Du hast es also gehört? Mein Vater ist der zweitbeste Schwertkämpfer von Avryn.«
»Er ist der Beste«, rief Denek dazwischen. »Er hätte den Großherzog besiegt, wenn er sein eigenes Schwert gehabt hätte, aber er musste ein Ersatzschwert nehmen, das zu schwer und zu plump war.«
»Denek, wie oft muss ich dir noch sagen,
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