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Der tiefe Brunnen: Astrologie und Märchen (German Edition)

Der tiefe Brunnen: Astrologie und Märchen (German Edition)

Titel: Der tiefe Brunnen: Astrologie und Märchen (German Edition)
Autoren: Claus Riemann
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begründen – weil der andere so erfolgreich ist oder so schön usw. -, es ist etwas, was einfach geschieht, was einem zufließt; etwas, worauf wir keinen Einfluss haben mit unserem bewussten Denken und Tun. Die helle Seite dieser Liebesenergie, hier auf der mütterlichen Ebene, äußert sich in einer verständnisvollen, empfindsamen Haltung dem anderen gegenüber, in der Eigenschaft und Fähigkeit, die Welt durch die Augen des geliebten Menschen zu sehen und ihn in seiner Welt bedingungslos zu akzeptieren. Diese Liebesenergie ist so wohltuend, weil man in der Gegenwart eines Fische-Mondes nie das Gefühl hat, sich besonders anstrengen zu müssen, etwas leisten oder darstellen zu müssen. Man ist okay, einfach so, wie man ist – liebenswert.
    Auf die Schattenseite des Fische-Mondes gehört das Bild der Märtyrerin, der schmerzensreichen Frau, die so edel und so gut ist, dass jeder Mensch in ihrem Umfeld vor Schuldgefühlen verzweifelt. Jemand, der sich nur aufopfert, an sich selbst zuletzt denkt. Solch eine Mutter darf man nicht enttäuschen – nicht ohne große Schuldgefühle. Opfer können sehr mächtig sein. Leidende, verletzbare, empfindsame Menschen haben oft unglaubliche Macht, gerade durch ihre Schwäche. Hier kann eine Art Leidenssog entstehen, auch eine Verliebtheit ins Leid der Welt, die dazu führt, dass man sich nicht mehr traut zu lachen und zu tanzen, wo es doch so viel Unglück auf der Welt gibt.
    Kinder mit Fische-Mond sind der Prototyp des so genannten »begabten« Kindes, wie es Alice Miller in ihrem Buch Das Drama des begabten Kindes beschrieben hat. Dieses Kind muss nicht bessere Schulleistungen haben als andere oder intelligenter sein. Seine Art von Begabung ist sehr speziell, sie besteht darin, Wunschbilder der Familie zu erahnen und sich in diese Wunschbilder zu verwandeln. So ein Kind spürt die Erwartungen der Eltern, identifiziert sich mit ihnen und lernt ganz unbewusst, diese Rolle zu spielen. Hat zum Beispiel die Mutter den mehr oder weniger unbewussten Wunsch, ihr Sohn solle einmal Priester oder ihre Tochter Tänzerin werden, dann ist dieser Wunsch Befehl: Wie ferngesteuert besucht der Sohn das Priesterseminar, und die Tochter quält sich im Ballettunterricht. Fische-Mond-Kinder sehen sich selbst zunächst nur durch die Augen der Mutter. Die Mondwelt ist das Mütterreich, und unsere erste Umwelt ist die Mutter; von ihr nicht geliebt zu werden ist für jeden Menschen ein Todesurteil. Die Logik des Fische-Mondes ist vom Kind aus gesehen: Wenn die Mutter mich freundlich ansieht, heißt das, ich bin gut, wenn sie böse schaut, heißt das, ich bin schlecht. Diese Kinder haben keine Trennlinie, keine Abwehr gegenüber der Sichtweise der Mutter, sie sind vollkommen durchlässig für deren Sichtweise und identifizieren sich damit. Das kann im Extremfall dazu führen, dass sie, wenn die Mutter sie nicht liebt oder keinen Platz für sie hat, glauben, keine Daseinsberechtigung zu haben, kein Recht, etwas für sich zu fordern. In der therapeutischen Arbeit ist es dann zum Verzweifeln: Der Patient gibt sich selbst nicht das Recht auf Leben. Die Identifikation mit der Todesmutter, der Mutter, die ihn nicht wollte, kann so stark sein, dass ihn nichts mehr auf die Straße des Lebens zurückführen kann. Auch wenn ein guter Therapeut nicht heilen will, wie C. G. Jung sagt, ist es für ihn sehr schwer auszuhalten, wenn jemand aus der Tiefe seines Wesens kein Ja zu sich selbst findet. Wenn die Seelenströmungen des frühen Umfeldes eher der Energie des Ja entsprachen, wird dieses Ja irgendwann selbstverständlich werden, aber wenn sie eher mit einem Nein zu tun hatten, wird dieses Nein verinnerlicht und kann bis zum Suizid führen.
    Männer mit Fische-Mond fühlen sich auf der seelischen Ebene oft zur geheimnisvollen medialen Frau hingezogen, die die inneren Welten kennt, oft auch zu schmerzensreichen Frauen, die ihnen das Gefühl vermitteln: Rette mich, hilf mir. Vielleicht war das auch ein Kindheitsthema; hier geschieht es häufig, dass Kinder die Mutter retten wollen als hilflose Helfer. Eine Gefahr für Fische-Mond-Männer ist, dass sie oft bis zur Selbstverleugnung guter Sohn sein möchten. Ihnen fehlt dann der im Eisenhans -Märchen thematisierte Mut, den Schlüssel unter dem Kopfkissen der Mutter zu stehlen, um den wilden Mann zu befreien. Sie wollen schuldfrei leben, nichts Böses tun, niemanden enttäuschen, und geben dadurch nicht selten einer Partnerin die Macht, ihnen Schuldgefühle zu
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