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Der tiefe Brunnen: Astrologie und Märchen (German Edition)

Der tiefe Brunnen: Astrologie und Märchen (German Edition)

Titel: Der tiefe Brunnen: Astrologie und Märchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Riemann
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Mensch, der mich so verletzt hat, nicht mehr da, und ich kann nun diese Energien nicht mehr loswerden.« Das kann zu einem Stau führen, zur so genannten sthenischen Depression. Depression bedeutet ja: Niederdrücken von Energie.

Kollektive Aspekte
    Ich möchte mich abschließend auf den kollektiven Aspekt dieses Zeichens, dieses Archetyps beziehen. Meiner Ansicht nach gibt es zwei große Sünden, die wir Menschen in den letzten Jahrtausenden zu verantworten haben und die auch im Kollektiven geheilt werden müssen. Die eine ist, dass wir die weibliche Göttin weniger geachtet haben als den männlichen Aspekt Gottes – wir haben ja Vater, Sohn und Heiliger Geist und nicht Mutter, Tochter, Heiliger Geist. Das zweite Problem ist, dass wir die Götter der oberen Welt viel mehr geachtet haben als die Götter der unteren Welt, wodurch eine Spaltung im kollektiven Bewusstsein existiert, die sich zum Beispiel im großen Weiblichen als die Spaltung in Maria und Hexe äußert. (Darauf gehe ich im Skorpion-Kapitel noch genauer ein.)
    Ein Stier-betonter Mensch, egal ob Mann oder Frau, hat in seinem Umfeld, in seinem Leben auch die Aufgabe, etwas für die Rehabilitation der Großen Göttin zu tun. Dabei geht es um eine neue Achtung vor der Erde und der Natur. Politisch gehört die ökologische Bewegung hierher. Im Märchen wird diese Weisheit auch durch das Motiv des hilfreichen Tieres dargestellt. Wenn man nicht bereit ist, mit dem Tier sein Essen zu teilen, wie viele Märchenhelden es tun müssen, wenn man nicht bereit ist, auf seinen Rat zu hören, gerät man in Schwierigkeiten – das wiederholt sich in jeder Geschichte. Auf den Menschen bezogen heißt das ganz einfach, wenn man die Botschaften des Körpers missachtet, dann wird man krank. Der Körper hat immer Recht, er belügt einen nie. Auch hier haben wir in unserer Tradition ein Ungleichgewicht: Wir schätzen die geistigen, »höheren« Werte mehr als die so genannten niederen, zu denen der Körper und damit die Weisheit des hilfreichen Tieres gehört. Das hat damit zu tun, dass im Körper Krankheit und Tod wohnen, und uns unserer Körperlichkeit bewusst zu werden bedeutet gleichzeitig, uns mit unserer Vergänglichkeit auseinanderzusetzen.

Stier-Skorpion
    Ich komme noch einmal zur Achse Stier-Skorpion zurück, denn letztendlich kann man jedes Tierkreiszeichen erst dann wirklich verstehen, wenn man auch seinen Gegenpol mit einbezieht. Bei Widder ist es Waage, das erste Herbstzeichen steht dem ersten Frühlingszeichen im Tierkreis gegenüber, und dem mittleren Frühlingszeichen Stier steht das mittlere Herbstzeichen Skorpion gegenüber. Stier kann von keinem anderen Tierkreiszeichen so viel lernen wie von Skorpion, seinem Ergänzungsgegensatz, und umgekehrt. Es gilt, das Goethe-Wort zu beherzigen: »Alles muss in Nichts zerfallen, wenn es im Sein beharren will«. Letztendlich ist es so, dass der Tod immer seine Hand auf unserer Schulter hat, wir sterben mit jedem Ausatmen, jedes Einatmen ist eine kleine neue Geburt, abends stirbt der Tag, morgens wird er wiedergeboren, im Herbst stirbt das Jahr, im Frühling wird es wiedergeboren.
    Insofern ist Vergänglichkeit etwas absolut Natürliches und Allgegenwärtiges. Unsere westliche Kultur hat allerdings ein Problem mit diesem Thema; wir betrachten den Tod meist nicht als Freund, und das gilt nicht nur für den physischen Tod, sondern auch für Wandlungsprozesse, die zum Leben gehören: Häutungen, Transformationen, Stirb-und-Werde-Prozesse. Von den Sufis stammt der schöne Satz »Du musst sterben, bevor du stirbst«; Goethe hat gesagt: »Und solang du das nicht hast, dieses Stirb und Werde, bist du nur ein trüber Gast auf der dunklen Erde.« Sich dieser Wahrheit bewusst zu sein ist die skorpionische Ergänzung, die Stier so dringend benötigt, vor allem in der zweiten Lebenshälfte. Aber nicht nur er, sondern auch das kollektive Bewusstsein unserer westlichen Kultur, wo wir so wenig vom Sterben verstehen und lieber Versicherungen abschließen. Ein boshafter Mensch hat einmal gesagt: »Wer eine Lebensversicherung hat, ist schon tot«, und darin steckt ein Körnchen Wahrheit.
    Meiner Erfahrung nach stellt sich gerade für sehr stark Stier-betonte Menschen um die Lebensmitte herum die Frage, in welche Richtung die Reise geht. Man kann entweder auf dem Weg des Vertrauten bleiben und sich in Richtung Versteinerung begeben, zum Burgenbauer werden, der viel vom Haben versteht, aber nichts vom Sein. Oder aber man lässt sich immer

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