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Der Tierarzt kommt

Der Tierarzt kommt

Titel: Der Tierarzt kommt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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erinnerte sich noch an ihn.
    »Dieser Junge, der Wesley Binks«, sagte er einmal zu mir, »das war ein durch und durch schlechter Kerl. Wissen Sie, ich glaube, dem hat kein Lebewesen je was bedeutet.«
    »Ich weiß, was Sie meinen«, erwiderte ich. »Aber da haben Sie nicht ganz recht. Ein Lebewesen hat es gegeben...«

7
     
    In der Kochkunst hätte sich Tristan wohl nie einen Preis verdient.
    Vielleicht war ich in dieser Beziehung verwöhnt. Zuerst von Mrs. Hall und dann von Helen. Wir haben in Skeldale House immer fürstlich gespeist, und da gab es nur wenige Ausnahmen – wie damals, als Tristan zeitweilig unser Koch war.
    Es begann eines Morgens beim Frühstück, als ich noch Junggeselle war. Tristan und ich saßen schon am Tisch. Dann kam Siegfried, brummte uns einen Morgengruß zu und goß sich Kaffee ein. Er strich sich Butter auf den Toast, schnitt sich ein Stück Schinken ab, kaute eine Weile nachdenklich und schlug dann mit der Hand so plötzlich auf den Tisch, daß ich hochfuhr.
    »Ich hab’s!« rief er.
    »Was?« fragte ich.
    Siegfried legte Messer und Gabel hin und streckte mir den Finger entgegen. »Wie dumm von mir. Da sitze ich und zerbrech mir den Kopf –«
    »Was ist denn los?«
    »Ach, wegen Mrs. Hall«, sagte er. »Sie hat mir gerade gesagt, daß ihre Schwester krank ist und sie zu ihr fahren muß. Sie denkt, daß sie eine Woche dort bleibt, und ich habe mich gefragt, wer sich inzwischen um den Haushalt kümmern könnte.«
    »Ach so.«
    »Und dann hatte ich’s.« Er schnitt sein Spiegelei durch. »Tristan kann das machen.«
    »Was?« Sein Bruder blickte bestürzt vom Daily Mirror auf. »Ich?«
    »Ja, du! Du verbringst sowieso die meiste Zeit auf dem Hintern. Ein bißchen nützliche Beschäftigung kann dir nur guttun.«
    Tristan sah ihn fragend an. »Was verstehst du unter... nützlicher Beschäftigung?«
    »Zum Beispiel das Haus in Ordnung halten«, sagte Siegfried. »Ich erwarte ja keine Wunder, aber du könntest jeden Tag ein bißchen saubermachen – und natürlich auch für uns kochen.«
    »Kochen?«
    »Genau.« Siegfried sah ihn scharf an. »Du kannst doch kochen?«
    »Nun ja... Würstchen und Kartoffelbrei kann ich kochen.«
    Siegfried war zufrieden. »Siehst du, James? Kein Problem. Reichen Sie mir bitte die gebackenen Tomaten.«
    Ich reichte sie ihm. Ich war dem Gespräch nur halb gefolgt, denn meine Gedanken waren ganz woanders. Kurz vor dem Frühstück hatte Ken Billings, einer unserer tüchtigsten Farmer, angerufen, und seine Worte klangen mir noch in den Ohren.
    »Mr. Herriot, das Kalb, das Sie gestern besucht haben, ist tot. Das ist schon das dritte in einer Woche, und ich bin ganz verzweifelt. Kommen Sie bitte gleich heute früh und schauen sich die Sache noch einmal an.«
    Ich nippte gedankenverloren an meinem Kaffee. Er war nicht der einzige Verzweifelte. Ich hatte drei kräftige Kälber gegen Magenkrämpfe behandelt, und sie waren alle drei gestorben. Das war schon schlimm genug, aber dazu kam, daß ich keine Ahnung hatte, was ihnen eigentlich fehlte.
    Ich wischte mir den Mund ab und stand auf. »Siegfried, als allererstes fahre ich zu Billings. Dann mach ich die übliche Runde.«
    »Gut, James, tun Sie das.« Mein Chef lächelte mir ermutigend zu und lud sich Pilze auf den Toast. Er war kein großer Esser, aber sein Frühstück liebte er.
    Auf dem Weg zu Billings zermarterte ich mir den Kopf. Was konnte ich noch tun? Hatte ich nicht alles versucht? In derartigen Fällen konnte man nur annehmen, daß das Tier etwas Schädliches gefressen hatte. Ich war manchmal stundenlang auf den Weiden herumgelaufen und hatte nach giftigen Pflanzen gesucht, aber das war hier völlig nutzlos, denn Billings Kälber hatten den Stall noch nie verlassen; sie waren erst einen Monat alt.
    Ich hatte die toten Tiere untersucht, aber nur eine nicht näher zu bezeichnende Gastro-Enteritis festgestellt. Ich hatte die Nieren im Laboratorium auf Bleigehalt untersuchen lassen, aber das Resultat war negativ. Ich war ratlos.
    Mr. Billings erwartete mich.
    »Gott sei Dank, daß ich Sie angerufen habe!« sagte er atemlos. »Es fängt schon wieder eins an.«
    Ich lief mit ihm zum Stall und fand, was ich erwartet und befürchtet hatte. Ein Kälbchen stieß sich an den Bauch, stand auf, ließ sich wieder fallen und rollte sich auf dem Strohlager. Typische Bauchschmerzen. Aber warum?
    Ich untersuchte es wie die anderen. Temperatur normal, Lungen klar, Schwäche im Pansen und außergewöhnliche Weichheit in der

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