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Der Tierarzt kommt

Der Tierarzt kommt

Titel: Der Tierarzt kommt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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aber ich glaube, sie ist meistens auf einer Farm unten an der Straße.«
    »Haben Sie je das Gefühl, daß sie bei Ihnen bleiben möchte?«
    »Nein.« Mrs. Ainsworth schüttelte den Kopf. »Sie ist ein schüchternes kleines Ding. Schleicht sich herein, frißt ein paar Bissen und verschwindet wieder.«
    Ich blickte wieder auf die kleine Katze. »Aber heute ist sie dageblieben.«
    »Ja. Es ist komisch, aber hin und wieder schlüpft sie ins Wohnzimmer und setzt sich ein paar Minuten lang vor das Kaminfeuer. Als ob sie sich ein besonderes Vergnügen leisten wollte.«
    Sie war eine ungewöhnliche Katze. Sie saß ganz aufrecht auf dem dicken Teppich vor dem Kamin. Sie rollte sich nicht zusammen, putzte sich nicht, starrte nur vor sich hin. Es mußte ein besonderes Ereignis in ihrem Leben sein, eine seltene und wunderbare Begebenheit; hier genoß sie eine Behaglichkeit, die sie sicher in ihrem alltäglichen Leben nie zu erträumen vermochte. Während ich sie betrachtete, drehte sie sich um und schlüpfte lautlos aus dem Zimmer.
    »So ist es immer«, sagte Mrs. Ainsworth. »Debbie bleibt nie länger als zehn Minuten.«
    Sie war eine plumpe Vierzigerin mit einem freundlichen Gesicht, und für einen Tierarzt war sie die ideale Kundin; wohlhabend, großzügig und die Besitzerin von drei verwöhnten Bassets. Und eines dieser von Natur aus melancholisch dreinblickenden Tiere brauchte nur ein kleines bißchen melancholischer auszusehen – schon wurde ich in aller Eile gerufen. Heute hatte ein Basset die Pfote gehoben und sich mehrere Male hinter dem Ohr gekratzt, und sogleich hatte mich seine Herrin in größter Besorgnis angerufen.
    So kam ich oft zu Mrs. Ainsworth, mußte mich aber nie sehr anstrengen, und ich hatte ausgiebig Gelegenheit, mich nach dem rätselhaften Kätzchen umzusehen. Einmal sah ich es, wie es gelassen an der Küchentür Milch aus einer Untertasse schlürfte. Als sie mich sah, drehte sie sich um und eilte lautlos durch den Flur und die Wohnzimmertür.
    Die drei Bassets lagen schnarchend auf dem Teppich vor dem Kamin, aber sie schienen an Debbie gewöhnt zu sein, denn zwei von ihnen schnupperten nur gelangweilt an ihr herum, während der dritte sie nur kurz aus einem schläfrigen Auge anblinzelte.
    Debbie setzte sich in der gewohnten Positur zu ihnen.
    Dieses Mal wollte ich mich mit ihr anfreunden. Ich trat behutsam auf sie zu, aber sie drehte sich weg, als ich die Hand nach ihr ausstreckte. Nach längerem Zureden gelang es mir, sie zu berühren, und ich strich ihr sacht mit dem Finger über die Wange. Einen Augenblick lang reagierte sie sogar, neigte den Kopf zur Seite und rieb ihren Rücken gegen meine Hand, aber bald darauf war es für sie wieder Aufbruchszeit. Sie lief aus dem Haus, sprang rasch die Straße entlang, dann durch eine offene Stelle in der Hecke, und zuletzt sah ich die kleine schwarze Gestalt über das regennasse Gras einer Wiese huschen.
    »Ich möchte wissen, wo sie hinläuft«, murmelte ich halb zu mir selbst.
    »Das haben wir noch nicht herausfinden können«, sagte Mrs. Ainsworth.
     
    Es müssen fast drei Monate vergangen sein, bis ich wieder von Mrs. Ainsworth hörte, und ich fragte mich schon, warum die Bassets plötzlich so gesund waren, als sie mich anrief.
    Es war am Morgen des ersten Weihnachtsfeiertages, und sie entschuldigte sich. »Mr. Herriot, es tut mir leid, Sie ausgerechnet heute zu stören.«
    »Ach, es ist nicht weiter schlimm«, sagte ich. »Welcher ist es denn dieses Mal?«
    »Es ist keiner von den Hunden. Es handelt sich... um Debbie.«
    »Debbie? Ist sie bei Ihnen im Haus?«
    »Ja... aber etwas stimmt nicht mit ihr. Bitte, kommen Sie doch schnell.«
    Als ich über den Marktplatz fuhr, stellte ich wieder einmal fest, daß Darrowby am Weihnachtstag einer Illustration zu der berühmten Erzählung von Dickens glich. Der Schnee bedeckte die Pflastersteine und die Giebeldächer, die Läden waren geschlossen, und die bunten Lichter der Weihnachtsbäume glänzten aus den Fenstern.
    Mrs. Ainsworth hatte das Wohnzimmer mit Lametta und Stechpalmen geschmückt, Getränke standen auf der Anrichte bereit, und der Duft von Putenbraten, Salbei und Zwiebeln drang aus der Küche durch das Haus.
    Debbie war wieder da, aber dieses Mal lag sie regungslos auf der Seite, und neben ihr kuschelte sich zusammengekauert ein winziges schwarzes Kätzchen.
    Ich schaute verblüfft auf sie nieder. »Was ist denn das?«
    »Es ist seltsam«, erwiderte Mrs. Ainsworth. »Ich habe Debbie wochenlang nicht

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