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Der Tierarzt kommt

Der Tierarzt kommt

Titel: Der Tierarzt kommt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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gehört, ihr Interesse war verflogen, und sie setzten ihre eigenen Gespräche fort. Und als der Mann am Süßwarenstand wieder seine Tüten füllte und zu schreien begann, lehnte Mr. Wentworth sich vor und sagte mir vertraulich ins Ohr: »Das war die wunderbarste Kur, die ich je erlebt habe.«

15
     
    Eines Abends, als wir behaglich im Bett lagen, kam Helen auf Granville Bennett zu sprechen.
    »Jim«, murmelte sie schläfrig. »Mr. Bennett hat heute angerufen. Und seine Frau letzte Woche. Sie möchten uns unbedingt zum Essen einladen.«
    »Ja... ja...« Ich hatte keine Lust, mich über irgend etwas zu unterhalten. Es war eine Stunde, die ich stets genoß. Die sterbenden Flammen strahlten Licht und Schatten an die Decke, aus dem Radio ertönte meine Lieblingsmusik, und ich ließ es mir wohl sein.
    Meine Frau stieß mich mit dem Knie an. »Jim, ich verstehe dich nicht. Du willst nie, daß wir zu ihnen fahren. Und dabei sagst du immer, du hast ihn gern.«
    »Natürlich. Er ist ein großartiger Kerl.«
    Jeder mochte Granville, und trotzdem gab es viele starke Männer, die sich in einem Hauseingang versteckten, wenn sie ihn sahen. Ich wollte Helen nicht erzählen, daß ich mir bei jedem Zusammentreffen mit ihm die Finger verbrannt hatte. Gewiß, er meinte es gut, und das Ganze war nur seiner Großzügigkeit zuzuschreiben. Aber das machte es nicht besser.
    »Und du hast gesagt, seine Frau sei auch sehr nett.«
    »Zoe? Ja, sie ist bezaubernd.« Und das war sie auch, aber ich hatte es ihrem Mann zu verdanken, daß sie mich nie anders als in völlig betrunkenem Zustande erblickt hatte. Ich krampfte die Zehen unter der Bettdecke zusammen. Zoe war schön, liebenswürdig und intelligent – genau die Frau, der man kaum vor die Augen treten möchte, wenn man mit Schluckauf durch die Gegend torkelt. Selbst im Dunkeln fühlte ich die Schamröte in mein Gesicht steigen.
    »Na also«, fuhr Helen mit der Hartnäckigkeit, die auch den reizendsten Frauen zu eigen ist, fort. »Warum nehmen wir dann die Einladung nicht an? Ich möchte sie gern kennenlernen – und es ist ein bißchen peinlich, wenn sie dauernd anrufen.«
    Ich drehte mich auf die Seite. »Schön, irgendwann mal in den nächsten Tagen. Ich verspreche es dir.«
    Aber wenn ich nicht die häßliche Warze auf Sams Schnauze bemerkt hätte, wären wir wohl nie hingefahren. Ich hatte es bemerkt, als ich unserem Beagle einen Schokoladenkeks zusteckte. Bei jedem anderen Hund hätte ich es mit einer kleinen Lokalbetäubung innerhalb einer Minute weggeschnitten. Aber da es um Sam ging, wurde ich bleich und rief Granville an.
    Mit meinen eigenen Tieren bin ich immer so zimperlich wie eine alte Jungfer gewesen, und sicher geht es vielen meiner Kollegen ebenso. Ich hielt den Hörer gespannt am Ohr. »Bennett.«
    »Hallo, Granville, hier ist...«
    »Jim!« Die Begeisterung war schmeichelhaft für mich. »Wo hast du dich so lange versteckt, alter Junge?«
    Er wußte nicht, wie wahr er sprach. Ich berichtete ihm von Sam.
    »Klingt nicht gerade schlimm, alter Freund, aber ich schaue ihn mir gern mal an. Weißt du was? Wir wollten euch schon lange einmal zum Essen einladen – warum bringst du den kleinen Kerl bei der Gelegenheit nicht mit?«
    »Nun...« Ein ganzer Abend in Granvilles Klauen – es war eine erschreckende Aussicht.
    »Also bitte keine Ausflüchte, Jim. Es gibt jetzt ein ganz tolles indisches Restaurant in Newcastle. Zoe und ich möchten euch beide gern dorthin einladen. Es wird allmählich Zeit, daß wir deine Frau kennenlernen, findest du nicht auch?«
    »Ja... natürlich... ein indisches Restaurant, hast du gesagt?«
    »Ja, alter Junge. Herrlicher Curry – milde, mittelscharf oder so, daß dir der Schädel platzt.«
    Mein Verstand arbeitete rasch. »Das klingt ja wunderbar, Granville.« Es klang in der Tat recht ungefährlich, denn am schlimmsten war er zu Hause, und die Fahrt bis nach Newcastle dauerte je vierzig Minuten. Dann ein bis anderthalb Stunden im Restaurant. Da war ich für den Abend ziemlich sicher. Gewiß würden wir etwas trinken, bevor wir abfuhren – das war die einzige Sorge.
    Seltsam, wie er meine Gedanken zu lesen schien. »Und Jim, bevor wir abfahren, setzten wir uns noch ein bißchen in meinen Garten.«
    »In deinen Garten ?« Wir hatten November.
    »So ist es, alter Junge.«
    Vielleicht wollte er uns späte Chrysanthemen zeigen. »Also gut, Granville. Wie wär’s mit Mittwoch abend?«
    »Ausgezeichnet – kann es kaum erwarten, Helen

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