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Der Tierarzt kommt

Der Tierarzt kommt

Titel: Der Tierarzt kommt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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durch eine neue ersetzen mußte. Wenn die erste bei meiner Ankunft voll gewesen war, hatte ich sie allein ausgetrunken.
    Ich konnte es kaum glauben, als wir endlich im Eingangstor des Hauses standen und uns unsere Mäntel anzogen. Granville schnurrte geradezu vor Zufriedenheit.
    »Euch beiden wird das Restaurant gefallen. Wartet nur, bis ihr die Speisekarte seht.«
    Draußen war der Nebel dichter als je. Mein Kollege fuhr seinen riesigen Bentley aus der Garage und forderte uns feierlich zum Einsteigen auf. Helen und Zoe komplimentierte er in den Fond, dann half er mir auf den Vordersitz, als sei ich ein invalider Greis, stellte mir den Sitz bequem zurück, zeigte mir, wie der Zigarrenanzünder funktionierte, knipste das Licht im Handschuhfach an und fragte mich, welches Radioprogramm ich am liebsten hören wolle.
    Endlich hatte er selbst hinter dem Steuer Platz genommen, wo er massiv und gefaßt wirkte. Der Nebel lichtete sich eine kurze Sekunde lang vor der Windschutzscheibe und ließ einen fast vertikalen steilen Grashang gegenüber dem Hause sichtbar werden, aber dann schloß er sich wieder wie ein gelber, schmutziger Vorhang und verbarg alle Sicht.
    »Granville«, sagte ich. »In diesem Nebel kommen wir nie nach Newcastle. Es sind über dreißig Meilen.«
    Er blickte mich mit einem sanften Lächeln an. »Absolut kein Problem, mein Junge. In einer halben Stunde sind wir da, und dann suchen wir uns die erlesensten Speisen aus. Huhn à la Tanduri, alle Gewürze des Orients, mein Sohn. Mach dir keine Sorgen – ich kenne diese Straßen hier. Es ist gar nicht möglich, sich zu verfahren.«
    Er ließ den Motor an, und der Wagen setzte sich in Bewegung. Aber leider steuerte er direkt auf den steilen Hang zu. Granville schien es gar nicht zu bemerken, als die Kühlerhaube immer weiter in die Höhe ragte, aber als wir etwa einen Winkel von fünfundvierzig Grad erreicht hatten, rief Zoe ihm sanft vom Hintersitz aus zu:
    »Granville, Liebster, du bist auf dem Hang.«
    Mein Kollege blickte sich überrascht um. »Durchaus nicht, mein Liebes. Wie du dich erinnern wirst, steigt die Straße hier leicht an.« Er hielt den Fuß auf dem Gaspedal.
    Ich sagte nichts, als meine Füße sich immer höher hoben und mein Kopf zurückfiel. Als der Bentley eine annähernd vertikale Position erreicht hatte, ließ sich Zoe wieder vernehmen.
    »Granville, mein Schatz.« Die Stimme hatte einen dringlichen Unterton. »Du fährst ja den Hang hinauf.«
    Dieses Mal schien ihr Mann ein wenig nachgiebiger zu sein.
    »Ja... ja, mein Herz«, murmelte er, als wir in unseren Sitzen hingen und in den nebelverhüllten Himmel starrten. »Möglicherweise bin ich ein Stückchen von der Straße abgekommen.«
    Er nahm den Fuß von der Bremse, und der Wagen schoß mit erschreckender Geschwindigkeit rückwärts in die Dunkelheit. Krachend kamen wir zum Stehen.
    »Liebling, du bist gegen Mrs. Thompsons Mauer gefahren.«
    »Tatsächlich, Schatz? Einen Augenblick. Gleich sind wir unterwegs.«
    Mit unverminderter Selbstsicherheit schaltete er in den Vorwärtsgang, und wir trieben machtvoll voran. Aber nur zwei Sekunden lang. Vor uns ertönte ein dumpfer Aufprall, gefolgt von klirrendem Glas und Metall.
    »Liebling«, flötete Zoe. »Das war das Verkehrsschild.«
    »Wirklich, mein Engel?« Granville rieb mit der Hand an der Windschutzscheibe. »Weißt du, Jim, die Sicht ist nicht sehr klar.« Er dachte einen Augenblick nach. »Vielleicht sollten wir den Besuch im Restaurant auf ein andermal verschieben.«
    Er manövrierte den Wagen in die Garage zurück, und wir stiegen aus. Wir hatten, wie mir schien, etwa fünf Meter auf unserer Reise zurückgelegt.
    In der Gartenbar war Granville wieder in Hochform. Und mir war es recht, denn all meine Ängste waren verflogen. Ich schwebte in einer Wolke von Glückseligkeit und leistete keinen Widerstand, als mein Kollege mir zappelnd und wackelnd weitere Gins einschenkte.
    Plötzlich hob er die Hand. »Ich bin sicher, daß wir alle am Verhungern sind. Essen wir ein paar Würstchen!«
    »Würstchen?« rief ich aus. »Ausgezeichnete Idee!« Das war zwar weit von den Gewürzen des Orients entfernt, aber ich war zu allem bereit.
    »Zoe, mein Stern«, sagte er. »Wir haben doch eine große Dose Räucherwürste. Könntest du die nicht warmmachen?«
    Seine Frau ging in die Küche, und Helen legte mir die Hand auf den Arm. »Jim«, sagte sie. »Räucherwürste...?«
    Ich habe zwar einen sehr guten Magen, aber es gibt einiges, was ich

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