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Der Tierarzt kommt

Der Tierarzt kommt

Titel: Der Tierarzt kommt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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wie er sich macht.«
     
    Es war etwa einen Monat später am Markttag, und ich schlenderte an den dichtgedrängten Holzverschlägen auf dem Marktplatz vorbei. Vor dem Eingang zum Pub Drovers’ Arms standen wie immer die Farmer im Gespräch und plauderten mit den Vieh- und Getreidehändlern über Geschäfte, während die Rufe der Marktschreier alles übertönten.
    Mich faszinierte besonders der Mann am Süßwarenstand. Er hielt eine Tüte in der Hand, die er mit allerlei Bonbons vollstopfte, während er mit lauter Stimme ein ununterbrochenes Verkaufsgespräch führte.
    »Herrliche Pfefferminzbonbons! Köstliche Lakritzen jeder Art! Wie wär’s mit ein paar Zuckerdrops? Und dazu noch etwas Schokolade! Und dazu gebe ich noch die guten Sahnekaramellen! Aber das ist noch nicht alles. Zum Schluß noch ein Stück türkischer Honig!« Dann streckte er triumphierend die volle Tüte in die Luft. »Hier, hier! Das Ganze für nur einen Zehner!«
    Ich bewunderte ihn. Wie konnte er das nur schaffen? Ich kam grade am Drovers’ vorbei, als eine vertraute Stimme mich rief.
    »HE, MR. HERRIOT!« Das konnte nur Len Hampson sein. Er baute sich in seiner ganzen Größe, rotgesichtig und fröhlich vor mir auf. »ERINNERN SIE SICH NOCH AN DAS SCHWEIN, DAS SIE BEI MIR VERDOKTERT HABEN?« Er hatte bestimmt schon etliche Liter Bier getrunken, und seine Stimme war lauter denn je.
    Die herumstehenden Bauern horchten auf. Die Tierkrankheiten in Nachbars Stall sind immer ein interessantes Gesprächsthema.
    »Ja, natürlich, Mr. Hampson«, erwiderte ich.
    »HAT ÜBERHAUPT NICHTS GENÜTZT!« brüllte Len.
    Ich sah, wie die Gesichter der Bauern aufleuchteten. Es ist immer noch interessanter, wenn es schiefgegangen ist.
    »Nein wirklich? Das tut mir aber leid.«
    »HAT KEINE SPUR GENÜTZT. HAB NOCH NIE EIN SCHWEIN SO SCHNELL VERENDEN SEHEN!«
    »Tatsächlich?«
    »JA, DAS FLEISCH IST IHM EINFACH WEGGESCHMOLZEN!«
    »Ach, das ist aber schade. Aber ich hatte Ihnen ja gleich gesagt...«
    »WAR NUR NOCH HAUT UND KNOCHEN!« Die Donnerstimme dröhnte über den Marktplatz und übertönte die Marktschreier. Sogar der Mann am Süßwarenstand hatte seine Rede unterbrochen und hörte mit dem gleichen Interesse wie die anderen zu.
    Ich blickte mich mit Unbehagen um. »Nun, Mr. Hampson, ich habe Sie damals gewarnt...«
    »WIE EIN WANDERNDES SKELETT SAH ES AUS! SO WAS HAB ICH MEIN LEBTAG NICHT GESEHEN!«
    Ich bemerkte, daß Len mir keineswegs Vorwürfe machte. Er erzählte es mir nur, aber ich wünschte mir, er würde aufhören.
    »Na, vielen Dank für die Mitteilung«, sagte ich. »Jetzt muß ich aber gehen...«
    »KEINE AHNUNG, WAS DAS FÜR EIN PULVER WAR, DAS SIE MIR GEGEBEN HABEN.«
    Ich räusperte mich. »Also das Pulver war...«
    »HAT IHM JEDENFALLS ÜBERHAUPT NICHT GENÜTZT!«
    »Ich verstehe. Aber wie gesagt, ich muß...«
    »MALLOCK HAT IHN LETZTE WOCHE SCHLACHTEN MÜSSEN!«
    »Ach was...«
    »DAS ARME VIECH HAT ALS HUNDEFUTTER GEENDET!«
    »So... so...«
    »NA, WÜNSCHE EINEN SCHÖNEN TAG, MR. HERRIOT.« Er ging weiter und ließ ein vielsagendes Schweigen hinter sich.
    Mit dem unbehaglichen Gefühl, der Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu sein, wollte ich mich gerade diskret zurückziehen, als eine Hand sich sanft auf meinen Arm legte. Ich blickte mich um und sah Elijah Wentworth.
    »Mr. Herriot«, flüsterte er. »Ich muß Ihnen von meinem Ochsen erzählen.«
    Welch ein Zufall! Ich starrte ihn an, und die Bauern starrten auch, aber in freudiger Erwartung.
    »Ja, Mr. Wentworth?«
    »Ich werde es Ihnen sagen.« Er trat nahe auf mich zu und hauchte mir ins Ohr. »Ein wahres Wunder. Er hat sich sofort erholt, nachdem Sie ihn behandelt haben.«
    Ich trat zurück. »Ach, das ist ja wunderbar! Aber bitte, reden Sie lauter. Ich verstehe Sie schlecht.« Ich blickte mich hoffnungsvoll um.
    Er kam mir noch näher und legte sein Kinn auf meine Schulter. »Ja, ich weiß nicht, was Sie ihm gegeben haben, aber es hat Wunder gewirkt. Ich konnte es kaum glauben. Jeden Tag hat er etwas mehr angesetzt.«
    »Herrlich! Aber bitte, sprechen Sie doch ein bißchen lauter«, sagte ich begierig.
    »Er ist jetzt so fett wie Butter.« Das Geflüster wehte in meine Ohren. »Ich bin sicher, er bekommt den ersten Preis auf der Ausstellung.«
    Ich trat einen Schritt zurück. »Ja... ja... was hatten Sie eben gesagt?«
    »Ich war sicher, er würde sterben, Mr. Herriot, aber Sie haben ihn gerettet mit Ihrer Kunst«, sagte er, und jedes Wort war pianissimo.
    Die Farmer hatten nichts

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