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Der Tierarzt kommt

Der Tierarzt kommt

Titel: Der Tierarzt kommt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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wissen.
    »Für Bach begeistern Sie sich also nicht so sehr?« fragte er lässig.
    »Nein, eigentlich nicht. Manches gefällt mir schon, aber im Grunde sind mir gefühlvollere Sachen lieber. Elgar, Beethoven, Mozart. Sogar Tschaikowsky – über den Sie wahrscheinlich die Nase rümpfen?«
    Er zuckte nur die Achseln, paffte an seiner Pfeife, zog eine Augenbraue hoch, und ich fand, daß ihm ein Monokel gut stehen würde. Aber er hielt keine Rede über Bach, obgleich er ihn allen anderen vorzog. Er hielt überhaupt nie Reden, sondern hörte lieber zu.
    Paul Cotterell stammte aus Südengland, aber das hatten ihm die Einheimischen längst verziehen, denn er war liebenswürdig, amüsant und stets bereit, eine Runde auszugeben. Er hatte einen sehr englischen, lässigen Charme. Er regte sich nie auf, war stets höflich und beherrscht.
    »Wo Sie schon mal da sind, Jim«, sagte er, »würden Sie sich vielleicht Theos Fuß mal anschauen?«
    »Natürlich.« Es gehört zu den Risiken unseres Berufes, daß die Leute sich einbilden, sie machen uns geradezu ein Vergnügen, wenn sie uns um tierärztlichen Rat fragen. »Holen Sie ihn rauf.«
    »Hierher, hopp.« Paul klatschte sich auf das Knie, und der kleine Hund sprang herauf. Seine Augen strahlten, und ich fand wieder einmal, daß Theo beim Film sein müßte. Mit seinem lachenden Gesicht hätte er Millionen von Zuschauern unterhalten können.
    »Komm, Theo«, sagte ich und nahm ihn auf mein Knie. »Wo fehlt es denn?«
    Paul zeigte auf die rechte Vorderpfote. »Dort. Seit ein paar Tagen lahmt er ein bißchen.«
    »Aha.« Ich rollte den Hund auf den Rücken, und dann lachte ich. »Ach, er hat sich nur den Fußnagel abgebrochen. Da hängt noch ein Stückchen. Er muß auf einen spitzen Stein getreten sein. Augenblick.« Ich faßte in meine Tasche und holte die Nagelschere heraus, die ich stets bei mir trug. Es klickte, und es war erledigt.
    »Ist das alles?« fragte Paul.
    »Ja.«
    Er zog spöttisch die Augenbraue hoch, als er Theo anblickte. »Und deshalb hast du dich so angestellt, du dummer Kerl?« Er schnappte mit den Fingern. »Zurück, auf der Stelle.«
    Der kleine Hund sprang gehorsam auf den Teppich und verschwand unter dem Barhocker. Und in diesem Augenblick kam mir blitzartig die Erleuchtung über Paul – über seinen Charme, um den ich ihn so oft beneidet hatte. Nichts machte ihm etwas Besonderes aus. Natürlich hatte er seinen Hund gern, nahm ihn überallhin mit, ging regelmäßig mit ihm am Fluß spazieren, zeigte aber nicht die Besorgtheit, die ich bei so vielen Kunden bemerkt hatte, wenn ihren Tieren auch nur das Geringste fehlte. Sie waren überbesorgt – so wie ich es auch mit meinen eigenen Tieren war.
    All die Lässigkeit, die Nonchalance, um die ich ihn so beneidete, kam nur daher, weil nichts ihm sehr naheging.
    »Diese große Operation ist wohl noch einen halben Liter wert, Jim«, sagte er lächelnd. »Oder verlangen Sie ein höheres Honorar?«
    Ich lachte. Ich mochte ihn wirklich gern. Wir sind alle verschieden und leben unseren Veranlagungen entsprechend, aber als ich mein zweites Glas bekam, dachte ich wieder an sein angenehmes Leben. Eine gute Beamtenstelle in Brawton, keine häusliche Verantwortung – er hatte überhaupt keine Sorgen.
    Außerdem gehörte er zu Darrowby, zu einer Welt, die ich mochte, und ich fand es ebenso angenehm wie beruhigend, Paul Cotterell und seinen Hund jeden Abend auf ihrem Stammplatz im Drovers’ vorzufinden.
    Dieses Gefühl hatte ich, als ich eines Abends kurz vor der Sperrstunde hereinkam.
    »Könnten es Würmer sein?« fragte Paul ohne Vorbereitung.
    »Weiß ich nicht, Paul. Warum fragen Sie?«
    Er zog an seiner Pfeife. »Ach, ich finde nur, daß er in letzter Zeit ein bißchen mager aussieht. Komm, Theo, hopp!«
    Der kleine Hund sprang seinem Herrn auf den Schoß, sah so lebhaft aus wie eh und je, und als ich ihn aufnahm, leckte er mir die Hand. Aber seine Rippen fühlten sich wirklich recht mager an.
    »Na ja«, sagte ich. »Er hat vielleicht etwas an Gewicht abgenommen. Haben Sie Würmer in seinem Stuhl gesehen?«
    »Nein, eigentlich nicht.«
    »Nicht einmal kleine weiße Punkte an seinem Hintern?«
    »Nein, Jim.« Er schüttelte den Kopf und lächelte. »So genau habe ich nun auch wieder nicht hingesehen.«
    »Gut«, sagte ich. »Wir geben ihm auf jeden Fall etwas gegen Würmer. Ich bringe Ihnen morgen abend ein paar Pillen mit. Sie sind doch hier?«
    Er hob die Augenbraue. »Höchstwahrscheinlich.«
    Theo bekam die

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