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Der Tierarzt kommt

Der Tierarzt kommt

Titel: Der Tierarzt kommt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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Wurmpillen, und danach war ich einige Wochen lang zu beschäftigt, um ins Drovers’ zu gehen. Ich betrat den Pub erst wieder an einem Samstagabend, als der Turnverein seinen Tanzabend abhielt. Rhythmische Klänge drangen vom Ballsaal herüber, die kleine Bar war ganz voll von all den Leuten in Smoking und Abendkleidern.
    Ich kämpfte mich durch den Lärm und die Hitze bis zur Bar durch, die an diesem Abend nicht wiederzuerkennen war – bis auf Paul Cotterell auf seinem Stammplatz.
    Ich quetschte mich neben ihn und sah, daß er wie immer seine Tweedjacke trug. »Sie tanzen nicht, Paul?«
    Er schüttelte langsam den Kopf und lächelte mir über der Pfeife zu. »Nichts für mich, alter Freund. Viel zu anstrengend.«
    Theo saß brav unter dem Schemel, hielt sich aus dem Gedränge heraus. Ich bestellte zwei Bier, versuchte ein Gespräch, aber es war schwer, sich über den Lärm hinweg zu verständigen.
    Dann sagte Paul mir ins Ohr: »Ich habe Theo die Pillen gegeben, aber er wird trotzdem immer dünner.«
    »Tatsächlich?« rief ich zurück. »Das ist aber ungewöhnlich.«
    »Ja... wollen Sie ihn sich mal ansehen?«
    Ich nickte, er schnappte mit den Fingern, und der kleine Hund saß augenblicklich auf seinen Knien. Ich stellte sofort fest, daß er leichter in meinen Händen wog.
    »Sie haben recht«, sagte ich. »Er hat noch mehr abgenommen.«
    Ich zog ein Augenlid herunter und sah, daß die Bindehaut bleich war.
    »Er ist blutarm«, schrie ich. Ich tastete über Gesicht und Kiefer und stellte fest, daß die Lymphdrüse hinter dem Rachen sehr geschwollen war. Seltsam. Könnte es eine Infektion von Mund und Rachen sein? Ich blickte mich hilflos um und wünschte mir, Paul würde mich nicht ständig im Pub konsultieren. Ich wollte mir das Tier genauer ansehen, konnte es aber schließlich nicht auf die Theke legen.
    Ich wollte ihn gerade etwas fester fassen, um ihm in den Rachen zu sehen, als meine Hand hinter den Vorderlauf glitt, und das Herz blieb mir stehen, als ich die Achseldrüse berührte. Auch sie war stark geschwollen. Jetzt betastete ich die Leistendrüse, und sie war dick wie ein Ei. Überall das gleiche. Alle Drüsen waren dick angeschwollen.
    Die Hodgkinsche Krankheit. Einen Augenblick lang vergaß ich das Geschrei, das Gelächter und die laute Musik. Paul paffte an der Pfeife und sah mich gelassen an. Wie konnte ich es ihm in dieser Umgebung beibringen? Er würde mich fragen, was die Hodgkinsche Krankheit sei, und dann müßte ich ihm erklären, daß sein Hund an krebsartigen Wucherungen des Lymphsystems sterben mußte.
    Ich streichelte Theos komisches Zottelgesicht, er blickte mich aus seinen großen Augen an, und meine Gedanken überschlugen sich. Die Leute drängten sich an uns vorbei, um sich Bier und Gin von der Theke zu holen, und ein dicker Mann umarmte mich geradezu.
    Ich lehnte mich hinüber. »Paul.«
    »Ja, Jim?«
    »Könnten Sie... könnten Sie Theo morgen früh in die Praxis bringen? Sonntag machen wir um zehn auf.«
    Seine Augenbraue hob sich etwas, dann nickte er.
    »Abgemacht, alter Junge.«
    Ich trank mein Glas nicht aus, zwängte mich durch die Menge bis zur Tür und blickte mich im Fortgehen noch einmal um. Ich sah gerade noch das Schwanzende des Hundes unter dem Barhocker.
    Am nächsten Morgen war ich früh auf. Ich brachte Helen eine Tasse Tee ans Bett und wartete – die Zeit schien mir endlos – auf Paul mit Theo.
    Als er kam, sagte ich es ihm ohne alle Umschweife. Ich sah keine Möglichkeit, es ihm schonend beizubringen. Sein Gesicht blieb ausdruckslos, aber er nahm die Pfeife aus dem Mund, sah mich und dann den Hund und dann wieder mich an und sagte schließlich: »Tatsächlich?«
    Er strich Theo mit der Hand über das Rückenfell. »Sind Sie ganz sicher, Jim?«
    »Leider ja. Absolut sicher.«
    »Und man kann es nicht behandeln?«
    »Es gibt alle möglichen Linderungsmittel, Paul, aber keins davon hilft wirklich. Das Endergebnis ist stets dasselbe.«
    »Ja...« Er nickte langsam. »Aber er sieht doch noch ganz munter aus. Was geschieht, wenn wir nichts unternehmen?«
    Ich überlegte. »Wenn die inneren Drüsen anschwellen, wird es schlimm. Wassersucht, vor allem im Bauch. Sie sehen ja schon jetzt eine kleine Schwellung.«
    »Ja... jetzt sehe ich es auch. Sonst noch was?«
    »Wenn die Brustdrüsen anschwellen, wird er japsen.«
    »Habe ich bereits bemerkt. Nach einem kleinen Spaziergang ist er außer Atem.«
    »Er wird immer mehr abmagern und Schmerzen haben.«
    Paul senkte einen

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