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Der Tierarzt kommt

Der Tierarzt kommt

Titel: Der Tierarzt kommt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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Hier ins Haus?«
    »Ja. Hamish wird in seinem Korb am Kaminfeuer liegen, und ich werde mit Lydia auf dem Sofa sitzen. Wunderbar! Geradezu ideal für einen Winterabend. Und billig noch dazu.«
    »Aber Tris! Hast du Siegfrieds Moralpredigt vergessen? Wenn er nun nach Hause kommt und dich erwischt?«
    Tristan zündete sich eine Zigarette an. »Keine Gefahr, Jim. Du sorgst dich um Kleinigkeiten. Wenn er nach Brawton fährt, kommt er immer spät zurück. Kein Problem.«
    »Na, wie du willst«, sagte ich. »Aber du brockst dir nur Ärger ein. Und solltest du nicht Bakteriologie pauken? Die Examen stehen vor der Tür.«
    Er lächelte mich durch den Rauch an. »Ach, das brauche ich mir nur einmal schnell durchzulesen.«
    Ich konnte ihm nicht widersprechen. Er hatte eine sehr schnelle Auffassungsgabe, und bei seinem Glück würde er wahrscheinlich ohnehin durchkommen. Ich fuhr zu Ted Binns.
    Es war acht Uhr, als ich zurückkam, und meine Gedanken waren weit von Tristan entfernt. Die Kuh reagierte nicht gut auf meine Behandlung, und ich fragte mich, ob ich auf dem rechten Weg war. In solchen Fällen las ich gerne noch einmal darüber nach, und die Bücher standen im Wohnzimmer. Ich öffnete die Tür, ohne zu zögern.
    Einen Augenblick lang stand ich verblüfft da und versuchte, meine Gedanken zu ordnen. Das Sofa stand direkt vor dem Kaminfeuer, die Luft war voller Zigarettenrauch und Parfüm, aber niemand war zu sehen.
    Das erstaunlichste war der lange Vorhang vor der Balkontür. Er wehte im Abendwind. Ich schaute in den dunklen Garten hinaus. Von irgendwo hörte ich ein trappelndes Geräusch, einen dumpfen Aufprall, einen kurzen Schrei und dann wieder Getrappel und Schreie. Ich ging den langen Pfad bis zur Mauer hinunter. Die Tür zum Hof stand offen und auch das Tor zur Straße, aber nichts regte sich.
    Langsam ging ich zum Licht des alten Hauses zurück. Vor der Balkontür hörte ich eine Bewegung und ein Flüstern.
    »Ach, bist du es, Jim?«
    »Tris! Wo zum Teufel kommst du her?«
    Er schlich mir ins Zimmer nach und blickte sich ängstlich um. »Du warst es also, und nicht Siegfried?«
    »Ja, ich bin eben gekommen.«
    Er ließ sich auf das Sofa fallen und vergrub den Kopf in den Händen. »Ach, verdammt! Eben hatte ich noch Lydia in den Armen. Alles war wunderbar. Und dann hörte ich, wie die Tür aufging.«
    »Aber du wußtest doch, daß ich bald zurückkommen würde.«
    »Ja, aber ich hab mir plötzlich eingebildet, es sei Siegfried. Es klang wie seine Schritte.«
    »Und was war dann?«
    Er fuhr sich durch das Haar. »Ich bin in Panik geraten. Ich hatte Lydia die zärtlichsten Dinge ins Ohr geflüstert, und im nächsten Augenblick riß ich sie vom Sofa und warf sie aus der Balkontür.«
    »Ich habe einen Aufprall...«
    »Ja, da fiel Lydia gerade in das Steingärtchen.«
    »Und dann einen Schrei...«
    Er seufzte und schloß die Augen. »Das war Lydia im Rosenbusch. Die Arme kennt sich hier nicht gut aus.«
    »Ach, Tris«, sagte ich. »Das tut mir wirklich leid. Ich hätte nicht so hereinplatzen sollen. Ich war mit meinen Gedanken ganz woanders.«
    Er legte mir die Hand auf die Schulter. »Es ist nicht deine Schuld, Jim. Du hast mich ja gewarnt.« Er zog die Zigaretten aus der Tasche. »Ich fürchte, mit dem Mädchen ist es leider aus. Sie muß mich für völlig übergeschnappt halten.«
    Ich versuchte, ihn zu trösten. »Ach, es wird schon wieder gutwerden. Ihr werdet beide darüber lachen.«
    Aber er hörte mir nicht zu. Er starrte entsetzt an mir vorbei. Dann wies er mit zitterndem Zeigefinger auf den Kamin. Nur mit Mühe brachte er hervor: »Um Gottes willen, Jim, er ist fort!«
    »Wer ist fort?«
    »Der verdammte Hund! Er war noch da, als ich hinausstürzte.«
    Ich blickte auf den leeren Korb, und dann fühlte ich Tristans eiskalte Hand auf meinem Arm. »Er muß durch die Balkontür entwischt sein. Jetzt gibt es Ärger.«
    Wir liefen in den Garten und suchten vergeblich. Wir kamen zurück, holten Taschenlampen, liefen auf dem Hof und um das Haus herum und riefen nach Hamish – vergeblich.
    Nach zehn Minuten waren wir wieder im hell erleuchteten Wohnzimmer und starrten uns an. Tristan gab als erster unseren Gedanken Ausdruck. »Was sagen wir Mrs. Westerman?«
    Ich schüttelte den Kopf. Diese Situation wagte ich mir gar nicht vorzustellen.
    In diesem Augenblick ertönte die Klingel, und Tristan sprang in die Luft.
    »O mein Gott!« stöhnte er. »Das muß sie sein. Geh doch bitte zur Tür, Jim. Sag ihr nur, es war

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