Der Tigermann
Trompetensignal gegeben hatte. Selbst von hinten sah man ihm die Erleichterung an.
»Nun wird es sich herausstellen«, murmelte Eli. »Major Grant, darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß die bevorstehende Auseinandersetzung sich auf geistiger Ebene abspielt. Es ist durchaus möglich, daß auf der materiellen überhaupt nichts davon zu bemerken ist. Ich weiß es nicht. Auf jeden Fall aber muß ich Sie bitten, keineswegs ohne meine ausdrückliche Aufforderung einzuschreiten.«
»Eine Kugel durch das Herz dieses feisten Schweins würde die Angelegenheit ein für allemal bereinigen«, sagte der Schikari erbost.
»Ganz im Gegenteil. Nichts würde damit erreicht. Saiva muß auf okkulter Ebene geschlagen werden, und zwar absolut geschlagen.«Man muß erkennen können, daß er besiegt ist. Das Volk muß es sehen und erkennen, daß der Kali-Kult leeres, destruktives und nichtiges Blendwerk ist. Wenn Saiva jedoch getötetwird, nimmt ein anderer seinen Platz ein. Und der ist vielleicht noch schlimmer.«
»Und Sie können ihn auf dieser – dieser Ebene schlagen?«
»M’sieu läßt sich nicht auf einen Wettkampf ein, wenn er nicht weiß, daß er siegen wird«, warf Hugo ein.
Die Tempeltore öffneten sich. Der Augenblick der Auseinandersetzung war gekommen.
In die Dunkelheit des Platzes vor dem Tempel fiel das Licht der Myriaden von Lampen im Innern. Trommeln dröhnten. Viele Trommeln. Und schließlich zeichneten sich die Umrisse des Hohenpriesters gegen das Licht ab.
Die fette Gestalt watschelte vorwärts, links und rechts von ihr je ein Akolyth mit einer Fackel, deren Schein phantastische, drohende Schemen über den Platz warf. Der plumpe Schatten des Hohenpriesters erstreckte sich bis zu Eli, als hätte er eine physische Masse, als wolle er den Gegner packen.
Hinter den drei Priestern schwärmte eine Masse von Andächtigen heraus, verteilte sich und stellte sich an den Tempelmauern auf. Kein Laut drang aus ihren Kehlen, während sie auf den Ausgang des ungewöhnlichen Duells warteten.
Eli rechnete mit einer Erwiderung Saivas auf seine Herausforderung. Doch als sie kam, geschah es in einer Weise, wie er es nie erwartet hätte.
Der Hohepriester deutete mit dem Finger auf Eli und lachte. Er lachte gellend, und sein höhnisches, schneidendes Gelächter hallte über den ganzen Platz.
Den Männern hinter ihm mußte es wahrhaft absurd erscheinen, daß die drei einsamen Gestalten auf dem Platz sich auch nur einbilden konnten, die mächtige Kali zu schlagen, deren Vertreter in Gestalt Saivas vor ihnen stand.
Der Mob stimmte in das Lachen ein, genauso höhnisch, genauso schneidend. Es war ein Gelächter, das die drei von den Füßen fegen sollte.
Die Kälte der drohenden Niederlage griff nach Elis Herz.
Saiva hob gebieterisch die Hand. Das Gelächter erstarb so abrupt wie es begonnen hatte.
»O kleiner Mann«, rief Saiva mit deutlicher Verachtung. »Bist du bereit zu sterben?«
Er machte einige Schritte vorwärts, bis er zwischen zwei Säulen stand, die phallusartig aus uraltem Stein gehauen waren.
»Es gibt höhere Mächte, die bestimmen, wie lange ich lebe und wann ich sterbe«, erwiderte Eli ruhig.
Sie standen ungefähr vierzig Meter auseinander, aber kein anderer Laut auf dem Platz dämpfte die in normaler Tonlage gehaltene Stimme.
»Dann beginn zu sterben«, donnerte Saiva.
Seine Gestalt wuchs scheinbar höher und höher, bis sie sich schließlich sogar über den Tempel erhob. Um seine Füße schien Rauch zu spielen, sich zu drehen und zu winden. Der lange Arm des Giganten, der er geworden war, griff über den Platz und umklammerte die wehrlose Kehle seines Gegners.
Einen langen Moment spürte Eli den Würgegriff, der ihm die Luft abschnitt. Fast hätte er zu taumeln begonnen.
Aber das war ein Effekt, den er gut kannte, eine über bestimmte Entfernung wirkende Hypnose. Er begegnete ihr mühelos, indem er die Augen schloß, sich das Schrumpfen des Riesen vorstellte und mit ihm die lange Würgehand.
Als er seine Augen wieder öffnete, hatte Saiva seine alte Gestalt, und seine Augen funkelten böse herüber.
Eli schlug zurück. Er sandte einen Blitz aus reiner Energie zu dem fetten Hohenpriester. Der Blitz hätte Saiva zumindest in die Knie zwingen müssen, wenn er ihn schon nicht ganz auslöschte.
Aber Saiva stand unbewegt, zuckte nicht einmal unter dem schrecklichen Schlag, der die konzentrierte Kraft aller Brüder innehatte.
Saiva lächelte spöttisch.
»Kümmerliche Kreatur«, höhnte er.
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