Der Tod auf dem Nil
anderen zollt. «Sie haben das alles gut sortiert», sagte er dann.
«Ich denke schon. Es gibt noch ein, zwei Dinge – das Telegramm zum Beispiel, das Linnet Doyle gelesen hatte. Ich würde das gern noch klären.»
«Beim Zeus! Wir haben ganz vergessen Doyle zu fragen. Er wollte es gerade erzählen, als die bedauernswerte Mutter Otterbourne dazwischenkam. Wir holen das nach.»
«Gleich. Zuerst möchte ich noch mit jemand anderem reden.»
«Mit wem denn?»
«Tim Allerton.»
Race zog die Augenbrauen hoch. «Allerton? Gut, dann wollen wir ihn herholen.» Er klingelte und schickte den Steward los.
Tim Allerton kam herein und sah sie fragend an. «Der Steward sagt, Sie wollen mich sprechen?»
«Das ist richtig, Monsieur Allerton. Setzen Sie sich.»
Tim nahm Platz. Sein Gesichtsausdruck war aufmerksam, aber ein kleines bisschen gelangweilt. «Kann ich irgendwie behilflich sein?» Es klang zuvorkommend, aber nicht begeistert.
Poirot sagte: «In einem gewissen Sinne vielleicht. Eigentlich möchte ich Sie nur auffordern zuzuhören.»
Tim zog höflich überrascht die Augenbrauen hoch. «Aber sicher. Ich bin der beste Zuhörer der Welt. Sage garantiert an den richtigen Stellen ‹na, so was!›»
«Das ist sehr beruhigend. ‹Na, so was!› ist sicher der passende Ausdruck. Eh bien, fangen wir an. Als ich Sie und Ihre Mutter in Assuan kennen lernte, fand ich Ihre Gesellschaft äußerst anziehend. In erster Linie fand ich, dass Ihre Mutter einer der charmantesten Menschen ist, die ich je kennen gelernt habe…»
In Tims gelangweiltes Gesicht kam kurz Bewegung, sogar der Hauch eines Ausdrucks. «Sie ist – einmalig», sagte er.
«Aber was mich als Zweites interessierte, war eine gewisse Dame, die Sie erwähnten.»
«Tatsächlich?»
«Ja, eine Mademoiselle Joanna Southwood. Ich hatte nämlich diesen Namen kurz vorher schon einmal gehört.» Er machte eine kleine Pause, dann fuhr er fort: «Es gab in den letzten drei Jahren Juwelendiebstähle, die Scotland Yard ziemliche Sorgen machen. Man könnte sie beschreiben als Diebstähle in der feinen Gesellschaft. Die Methode ist meistens dieselbe – ein Schmuckstück wird ausgetauscht durch eine Kopie. Mein Freund, Chief Inspector Japp, kam zu dem Schluss, dass diese Diebstähle nicht das Werk eines Einzelnen, sondern dass zwei Täter gemeinsam und sehr geschickt am Werk waren. Er war angesichts der beträchtlichen Kenntnisse über die jeweilige Umgebung, die sich dabei herausstellten, überzeugt, dass die Diebstähle das Werk zweier selbst zur besseren Gesellschaft gehörender Leute waren. Und schließlich geriet ihm Mademoiselle Joanna Southwood ins Visier.
Jedes der Opfer war mit ihr entweder befreundet oder bekannt gewesen und in allen Fällen hatte sie das fragliche Schmuckstück entweder in der Hand gehabt oder geliehen bekommen. Außerdem lag ihr Lebensstil weit oberhalb ihres Einkommens. Auf der anderen Seite stand fest, dass der tatsächliche Diebstahl – das heißt, der Austausch – nicht von ihr vorgenommen wurde. Zum Teil war sie gar nicht in England gewesen, als der Schmuck vertauscht worden sein musste.
Und so setzte sich allmählich in Chief Inspector Japps Kopf ein kleines Bild zusammen. Zu einem bestimmten Zeitpunkt gehörte Mademoiselle Southwood einer ‹Gilde für Modernen Schmuck› an. Japp vermutete, dass sie die fraglichen Schmuckstücke genau studierte, exakte Zeichnungen davon anfertigte, sie einem unredlichen kleinen Juwelier zum Kopieren gab und dass Teil drei der Operation der erfolgreiche Austausch durch jemand anders war – jemand, der nachweisbar niemals die Schmuckstücke in der Hand gehabt und niemals mit Kopien oder Imitationen wertvoller Steine zu tun gehabt hat. Wer dieser Jemand war, wusste Japp nicht.
Ich fand bestimmte Bemerkungen interessant, die Sie im Gespräch fallen ließen. In Mallorca verschwand ein Ring, während Sie dort waren. Sie waren Gast bei einer Gesellschaft, bei der so ein Austausch erfolgt war. Sie hatten enge Verbindungen mit Mademoiselle Southwood. Tatsache war auch, dass Sie meine Anwesenheit offenkundig unangenehm fanden und versuchten, Ihrer Mutter ihr freundliches Benehmen mir gegenüber auszureden. Natürlich hätte das einfach persönliche Antipathie sein können, aber ich glaubte es nicht. Sie waren zu sehr darauf bedacht, Ihre Abneigung hinter bemühter Freundlichkeit zu verbergen.
Eh bien! Nach dem Mord an Linnet Doyle wird entdeckt, dass ihre Perlenkette fehlt. Sie werden verstehen, dass ich
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