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Der Tod auf dem Nil

Der Tod auf dem Nil

Titel: Der Tod auf dem Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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ist?»
    «Natürlich.»
    Mrs. Allerton zögerte – mit einem feinen Lächeln auf den Lippen. «Könnte vielleicht sogar ich dazugehören?»
    «Mütter, Madame, sind besonders erbarmungslos, wenn ihre Kinder in Gefahr sind.»
    Ernst sagte sie: «Ich glaube, das stimmt – ja, Sie haben völlig Recht.» Sie schwieg eine Weile und sagte dann lächelnd: «Ich versuche mir für alle Leute im Hotel ein passendes kriminelles Motiv auszudenken. Das ist sehr unterhaltsam. Simon Doyle, zum Beispiel?»
    Poirot lächelte ebenfalls. «Ein ganz einfaches Verbrechen – der direkte, kürzeste Weg zu seinem Ziel. Keinerlei Raffinesse.»
    «Und deshalb sehr leicht aufzuklären?»
    «Ja. Er wäre nicht sehr ausgefuchst.»
    «Und Linnet?»
    «Bei ihr wärs wie bei der Königin in ‹Alice im Wunderland›: ‹Kopf ab mit ihr! Ab sag ich!›»
    «Natürlich! Das Gottesrecht der Monarchie! Wie stiehlt man Naboth seinen Weinberg. Und das gefährliche Mädchen – Jacqueline de Bellefort – könnte sie einen Mord begehen?»
    Poirot zögerte ein paar Augenblicke, bevor er antwortete. «Ja, ich glaube, das könnte sie.»
    «Aber sicher sind Sie nicht?»
    «Nein. Sie ist mir ein Rätsel, die Kleine.»
    «Mr. Pennington könnte, glaube ich, keinen begehen, oder? Er sieht so vertrocknet und nach saurem Magen aus – als hätte er keinen Tropfen rotes Blut.»
    «Aber möglicherweise einen starken Selbsterhaltungstrieb.»
    «Ja, vermutlich. Und die bedauernswerte Mrs. Otterbourne mit ihrem Turban?»
    «Eitelkeit gehört auch dazu.»
    «Zu den Mordmotiven?», fragte Mrs. Allerton skeptisch.
    «Mordmotive sind manchmal sehr banal, Madame.»
    «Welches sind denn die üblichsten, Monsieur Poirot?»
    «Das häufigste – Geld. Das heißt, Gewinnstreben in all seinen Verästelungen. Dann haben wir noch Rache – und Liebe und Angst und schieren Hass und Nützlichkeit –»
    «Monsieur Poirot!»
    «O ja, Madame. Ich habe gehört, dass jemand namens – sagen wir – A von einem B nur aus dem Weg geräumt wurde, damit C davon einen Nutzen hat. Politische Morde segeln oft unter dieser Flagge. Irgendjemand gilt als Schädling für die Gesellschaft und wird deshalb beseitigt. Wer so etwas macht, vergisst, dass Leben und Tod Sache des lieben Gottes sind.» Poirot klang sehr ernst.
    Leise sagte Mrs. Allerton: «Ich bin froh, dass Sie das sagen. Wie auch immer, Gott wählt seine Werkzeuge.»
    «So zu denken birgt eine Gefahr, Madame.»
    Sie sagte, wieder leichter: «Nach diesem Gespräch, Monsieur Poirot, verwundert es mich, dass überhaupt noch jemand am Leben ist.» Sie stand auf. «Wir müssen zurück. Wir sollen gleich nach dem Mittagessen losfahren.»
    Als sie zum Bootssteg kamen, nahm der junge Mann im Rollkragenpulli gerade Platz auf der Feluke. Der Italiener erwartete sie schon. Der nubische Bootsführer setzte die Segel, sie legten ab und Poirot wandte sich höflich an den fremden jungen Mann. «Wunderschöne Dinge, die man sich in Ägypten ansehen kann, nicht wahr?»
    Der Fremde rauchte inzwischen eine Pfeife mit ziemlich starkem Tabak. Er nahm sie aus dem Mund und gab knapp und sehr bestimmt, in erstaunlich kultiviertem Englisch, zurück: «Ich finde sie zum Speien.»
    Mrs. Allerton setzte ihr Pincenez auf und musterte ihn mit wohlwollendem Interesse.
    «Tatsächlich? Und warum?», fragte Poirot.
    «Nehmen Sie die Pyramiden. Riesenblöcke von unnützem Mauerwerk aufeinander getürmt, nur um dem Egoismus eines aufgeblasenen despotischen Königs zu frönen. Denken Sie an die schwitzenden Menschenmassen, die an den Bauten geschuftet haben und dabei gestorben sind. Ich könnte speien beim Gedanken an die Leiden und Qualen, für die sie stehen.»
    Mrs. Allerton sagte fröhlich: «Sie hätten wohl lieber keine Pyramiden, keinen Parthenon, keine schönen Grabmale und Tempel – Sie wären einfach zufrieden, wenn die Leute dreimal am Tag zu essen hätten und im Bett sterben dürften.»
    Der junge Mann warf ihr einen finsteren Blick zu. «Ich finde, dass Menschen wichtiger sind als Steine.»
    «Aber nicht so haltbar», bemerkte Poirot.
    «Ich würde lieber einen wohlgenährten Arbeiter ansehen als irgendwelche so genannten Kunstwerke. Bedeutung hat die Zukunft – nicht die Vergangenheit.»
    Das war zu viel für Signor Richetti, der jetzt in einen leidenschaftlichen Wortschwall ausbrach, dem nicht leicht zu folgen war.
    Der junge Mann parierte mit einem Vortrag darüber, was er vom kapitalistischen System hielt, und das klang äußerst gehässig.
    Als der

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