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Der Tod auf dem Nil

Der Tod auf dem Nil

Titel: Der Tod auf dem Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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sicher. Man darf nicht nach dem Anschein der Dinge urteilen.»
    Rosalie murmelte: «Sehen Sie sich die – die Mütter von anderen Leuten an – und dann meine. Es gibt nur einen Gott, und der heißt Sex, und Salome Otterbourne ist sein Prophet.» Sie hielt inne. «Das hätte ich wohl nicht sagen sollen.»
    Poirot winkte ab. «Warum denn nicht – mir? Ich gehöre zu den Menschen, die eine Menge zu hören bekommen. Wenn Sie, wie Sie sagen, innerlich brodeln – wie kochende Marmelade –, eh bien, soll doch der Abschaum ruhig nach oben kommen, dann kann man ihn mit dem Schaumlöffel abnehmen – so.» Er machte eine Geste, als ob er etwas in den Nil werfen wollte. «Und dann ist er weg.»
    «Was für ein ungewöhnlicher Mann Sie sind!», sagte Rosalie. Ihr Schmollmund verwandelte sich in ein Lächeln. Aber plötzlich wurde sie starr und schrie auf: «O nein, da sind Mrs. Doyle und ihr Mann! Ich hatte keine Ahnung, dass die die Tour auch machen!»
    Linnet war gerade aus einer Kabine etwa in der Mitte des Decks getreten. Simon kam hinterher. Poirot war sehr verblüfft – sie strahlte, sie sah wieder sehr selbstsicher aus. Regelrecht arrogant vor lauter Glück. Auch Simon war wie ausgewechselt. Er grinste über das ganze Gesicht wie ein glücklicher Schuljunge.
    «Es ist großartig», sagte er und lehnte sich auch über die Reling. «Ich freue mich ja so auf diese Fahrt. Du doch auch, Linnet? Es kommt einem irgendwie viel weniger touristisch vor – als ob wir wirklich ins Herz von Ägypten fahren.»
    Seine Frau antwortete sofort: «Genau. Es ist irgendwie so viel – wilder.» Sie schob ihre Hand unter seinen Arm.
    Er drückte sie fest an seine Rippen. «Wir legen ab, Lin», murmelte er.
    Der Dampfer entfernte sich vom Pier. Die siebentägige Fahrt zum zweiten Nil-Katarakt und zurück hatte begonnen.
    Plötzlich erklang hinter ihnen ein silberhelles Lachen. Linnet fuhr herum.
    Da stand Jacqueline de Bellefort. Sie schien sich zu amüsieren. «Hallo, Linnet! Ich hatte nicht erwartet, dich hier zu treffen. Ich dachte, du hättest gesagt, du bleibst noch zehn Tage in Assuan. Das ist ja eine Überraschung!»
    «Du – du hast nicht –», stammelte Linnet. Dann zwang sie sich ein gequält förmliches Lächeln ab. «Ich – ich hatte dich hier auch nicht erwartet.»
    «Nein?» Jacqueline spazierte zum anderen Ende des Schiffs.
    Linnet klammerte sich fester an den Arm ihres Mannes. «Simon – Simon –»
    Doyles ganze vergnügte Gutmütigkeit war verflogen. Er sah wütend aus. Seine Hände ballten sich zu Fäusten, trotz aller Bemühungen um Selbstbeherrschung.
    Beide gingen ein paar Schritte weiter. Ohne den Kopf zu drehen, schnappte Poirot ein paar unzusammenhängende Wortfetzen auf: «… zurückfahren… unmöglich… wir könnten…», und ein bisschen lauter die verzweifelte, aber grimmige Stimme von Doyle: «Wir können nicht ewig weglaufen, Lin. Wir müssen es jetzt zu Ende bringen…»
    Einige Stunden später – das Tageslicht verschwand allmählich – stand Poirot im verglasten Salon und sah nach vorn. Die Karnak fuhr eben durch eine enge Schlucht. Die Felsen fielen steil und in ihrer ganzen ursprünglichen Schroffheit hinab in den Fluss, der tief und schnell zwischen ihnen strömte. Sie waren in Nubien.
    Er hörte, wie sich etwas bewegte, und dann stand Linnet Doyle neben ihm. Sie verhakte und löste ihre Finger andauernd und sie hatte einen Gesichtsausdruck, den er noch nie an ihr gesehen hatte. Sie sah aus wie ein völlig verschrecktes Kind.
    «Monsieur Poirot», sagte sie, «ich habe Angst – ich habe Angst vor allem. So habe ich mich noch niemals gefühlt. All diese wilden Felsen und diese schreckliche Härte und Kahlheit. Wohin geht die Reise? Was passiert denn noch? Ich habe Angst, das kann ich Ihnen sagen. Alle Welt hasst mich. Ich habe mich noch nie zuvor so gefühlt. Ich war doch immer nett zu allen Leuten, habe etwas für sie getan, aber sie hassen mich – ganz viele Leute hassen mich. Außer Simon. Sonst bin ich umgeben von Feinden… Das ist ein furchtbares Gefühl – dass es Leute gibt, die einen hassen…»
    «Was ist denn los, Madame?»
    Sie schüttelte den Kopf. «Ich nehme an, es sind die Nerven… Ich habe einfach das Gefühl, dass alles um mich herum unsicher ist.» Sie warf einen raschen, nervösen Blick über seine Schulter. Dann fragte sie unvermittelt: «Wie wird das alles enden? Wir sitzen doch hier fest. In der Falle! Es gibt keinen Ausweg. Wir müssen weiter. Ich – ich weiß

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