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Der Tod auf dem Nil

Der Tod auf dem Nil

Titel: Der Tod auf dem Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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nicht, wo ich bin.» Sie sank auf einen Stuhl.
    Poirot sah ernst auf sie hinunter; sein Blick war durchaus nicht frei von Mitleid.
    «Woher wusste sie, dass wir mit diesem Schiff fahren würden?», fragte Linnet. «Wie hat sie das erfahren können?»
    Poirot schüttelte den Kopf und erwiderte: «Sie hat Köpfchen, das wissen Sie doch.»
    «Ich habe das Gefühl, ich werde ihr nie mehr entkommen.»
    Poirot sagte: «Es gibt etwas, das Sie hätten tun können. Ich wundere mich in der Tat, dass Sie darauf nicht gekommen sind. Denn schließlich ist Geld für Sie, Madame, doch kein Thema. Warum haben Sie sich nicht um eine eigene, private dahabiyah bemüht?»
    «Wenn ich das alles gewusst hätte – aber wir wussten es doch nicht – vorher. Es war auch schwierig…» Und dann platzte sie plötzlich sehr ungehalten heraus: «Ach! Sie verstehen ja nicht mal die Hälfte meiner Schwierigkeiten. Ich muss behutsam sein mit Simon. Er ist – er ist wahnwitzig empfindlich – in Sachen Geld. Weil ich so viel habe! Er wollte, dass ich mit ihm in irgendein Fleckchen in Spanien fahre – er – er wollte die ganzen Flitterwochen selbst bezahlen. Als ob das eine Rolle spielt! Männer sind dumm! Er muss sich noch daran gewöhnen, ein – ein – bequemes Leben zu führen. Die bloße Idee, ein Privatboot zu mieten, hat ihn schon rasend gemacht – die – sinnlose Ausgabe. Ich muss ihn erst dazu erziehen – ganz allmählich.»
    Sie sah hoch und biss sich ärgerlich auf die Lippe, als bereue sie, sich so offen über ihre Schwierigkeiten geäußert zu haben. Dann stand sie auf. «Ich muss mich umziehen. Es tut mir Leid, Monsieur Poirot. Ich fürchte, ich habe eine Menge törichten Unsinn geredet.»

Achtes Kapitel
     
    M rs. Allerton wirkte gediegen und vornehm in ihrem schlichten Abendkleid aus schwarzer Spitze. Sie stieg zwei Decks hinunter zum Speisesaal.
    An der Tür holte ihr Sohn sie ein. «Entschuldige, meine Liebe, ich dachte schon, ich komme zu spät.»
    «Ich bin gespannt, wo wir sitzen.» Im Saal standen lauter kleine Tische. Mrs. Allerton blieb stehen, bis der Steward, der gerade eine Gruppe Leute auf Plätze verteilte, sich um sie kümmern konnte. «Übrigens», fuhr sie fort, «habe ich Hercule Poirot gebeten, an unserem Tisch zu sitzen.»
    «O nein, Mutter!» Tim klang überrumpelt und ernsthaft ärgerlich.
    Seine Mutter sah ihn verwundert an. Tim war eigentlich immer gelassen. «Mein Lieber, hast du denn etwas dagegen?»
    «Ja, das habe ich. Das ist ein kleiner Banause durch und durch.»
    «O nein, Tim! Das sehe ich nicht so.»
    «Und überhaupt, wieso wollen wir uns mit einem Fremden einlassen? Zusammengepfercht auf einem kleinen Schiff ist so was immer grässlich. Der klebt morgens, mittags und abends an uns.»
    «Das tut mir Leid, mein Lieber.» Mrs. Allerton sah geknickt aus. «Ich dachte wirklich, du fändest das amüsant. Er hat doch bestimmt die tollsten Erfahrungen. Und du liebst Detektivgeschichten.»
    Tim brummelte: «Mir wäre lieber, du hättest nicht solche brillanten Einfälle, Mutter. Jetzt kommen wir da nicht mehr raus, nehme ich an?»
    «Ich wüsste wirklich nicht, wie, Tim.»
    «Nun ja, dann werden wir uns wohl damit abfinden müssen.»
    In diesem Augenblick kam der Steward und brachte sie an einen Tisch. Mrs. Allerton folgte ihm mit einem ziemlich verwirrten Gesicht. Normalerweise war Tim so gelassen und gutmütig. Dieser Ausbruch sah ihm gar nicht ähnlich. Er war ja auch keiner von den gewöhnlichen Briten, die Ausländer nun mal nicht mögen – oder mit Misstrauen beäugen. Tim war im Gegenteil sehr kosmopolitisch. Ach ja, seufzte sie. Männer waren nicht zu verstehen! Selbst die, die einem die nächsten und liebsten waren, zeigten völlig unvermutete Reaktionen und Gefühle.
    Während sie Platz nahmen, lief Hercule Poirot schweigend durch den Speisesaal. Bei ihnen blieb er stehen und legte die Hand auf den dritten Stuhl. «Sie gestatten wirklich, Madame, dass ich von Ihrem freundlichen Vorschlag Gebrauch mache?»
    «Natürlich. Setzen Sie sich, Monsieur Poirot.»
    «Sie sind überaus liebenswürdig.»
    Sie bemerkte zu ihrem Unbehagen, dass er Tim beim Hinsetzen einen raschen Blick zuwarf und dass Tim seinen ziemlich mürrischen Gesichtsausdruck nicht gerade erfolgreich hatte verbergen können. Also machte sie sich selbst daran, angenehme Stimmung zu erzeugen. Nach der Suppe griff sie zur Passagierliste, die neben ihren Teller gelegt worden war. «Wir wollen doch mal sehen, ob wir alle

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