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Der Tod auf dem Nil

Der Tod auf dem Nil

Titel: Der Tod auf dem Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Rosalies Aussage, nach der beide schon vor elf Uhr zu Bett gegangen waren. Sie selbst hatte die ganze Nacht lang nichts Interessantes gehört. Sie konnte auch nicht sagen, ob Rosalie die Kabine verlassen hatte oder nicht. Zum Thema Verbrechen an sich allerdings hatte sie einiges in petto. «Le crime passionel!», deklamierte sie. «Der primitive Trieb zum – Töten! So innig verbündet mit dem Sextrieb. Dieses Mädchen Jacqueline, halb südländisch, heißblütig, wie sie den tiefsten Instinkten ihres Wesens gehorcht, sich fortstiehlt, den Revolver in der Hand –»
    «Jacqueline de Bellefort hat Madame Doyle nicht erschossen. Das wissen wir mit Sicherheit. Es ist bewiesen», erklärte Poirot.
    «Dann also der Ehemann», verkündete Mrs. Otterbourne, als sie sich von dem Schlag erholt hatte. «Blutrausch und Sextrieb – ein Sexualverbrechen. Dafür gibt es etliche berühmte Vorbilder.»
    «Mr. Doyle hat einen Beindurchschuss und war ziemlich unfähig sich zu rühren – der Knochen ist gebrochen», erläuterte Colonel Race. «Er hat die Nacht bei Dr. Bessner zugebracht.»
    Jetzt war Mrs. Otterbourne noch enttäuschter. Sie grübelte, in der Hoffnung auf eine Lösung. «Natürlich», sagte sie schließlich. «Wie töricht von mir! Miss Bowers!»
    «Miss Bowers?»
    «Ja. Natürlich. Psychologisch sonnenklar. Unterdrückung! Die triebunterdrückte Jungfrau! Wird wahnsinnig angesichts der beiden – ein junges Paar, leidenschaftlich verliebt. Natürlich war sie es! Sie ist genau der Typ – sexuell unattraktiv, die Sittlichkeit in Person. In meinem Buch ‹Die unfruchtbare Rebe› –»
    Höflich unterbrach Colonel Race. «Ihre Vorschläge waren eine große Hilfe, Mrs. Otterbourne. Aber wir müssen mit unserer Arbeit weiterkommen. Ganz herzlichen Dank.» Galant geleitete er sie zur Tür. Auf dem Rückweg wischte er sich die Stirn. «Was für ein widerliches Weibsbild! Puh! Warum hat die eigentlich keiner ermordet!»
    «Das kann ja noch kommen», tröstete Poirot.
    «Hätte jedenfalls einen gewissen Sinn. Wen haben wir noch? Pennington – den heben wir uns als Letzten auf, finde ich. Richetti – Ferguson.»
    Signor Richetti sprudelte wie immer und war sehr erschüttert. «Nein, so eine Scheußlichkeit, so eine Infamie – so eine junge und schöne Frau – wirklich unmenschlich, so ein Verbrechen!» Er warf dramatisch die Hände in die Luft.
    Seine Antworten kamen präzise. Er war früh zu Bett gegangen – sehr früh. Nämlich sofort nach dem Dinner. Er hatte noch ein wenig gelesen – eine vor kurzem erschienene, sehr interessante deutsche Broschüre, «Prähistorische Forschung in Kleinasien», die die Tontopfmalerei des anatolischen Berglands in völlig neuem Licht erscheinen ließ. Sein eigenes Licht ausgemacht hatte er kurz vor elf. Nein, irgendeinen Schuss hatte er nicht gehört. Auch nicht irgendetwas, das wie das Plopp eines Korkens klang. Das Einzige, was er gehört hatte – aber das war viel später gewesen, mitten in der Nacht –, war ein platschendes Geräusch gewesen, ein lauter Platscher, direkt neben seinem Bullauge.
    «Ihre Kabine liegt im Unterdeck auf der Steuerbordseite, nicht wahr?»
    «Ja, ja, tut sie. Und ich habe es laut platschen gehört.» Wieder flogen seine Arme zwecks Demonstration der großen Lautstärke in die Luft.
    «Können Sie vielleicht auch sagen, wann das war?»
    Signor Richetti überlegte. «Das war eine, zwei, drei Stunden nachdem ich bin schlafen gegangen. Vielleicht zwei Stunden.»
    «Etwa zehn Minuten nach eins, zum Beispiel?»
    «Das kann sehr wohl sein, ja. Ah! Aber so ein schreckliches Verbrechen – so unmenschlich… So bezaubernd diese Frau…»
    Abgang Signor Richetti, weiter wild gestikulierend.
    Race sah Poirot an. Poirot zog viel sagend die Brauen hoch und zuckte dann die Schultern. Sie nahmen sich Ferguson vor.
    Ferguson war schwierig. Ungezogen fläzte er sich in einen Stuhl und schnaubte verächtlich: «So ein Riesen-Tamtam! Wen kratzt denn die ganze Sache? Sowieso zu viele Luxusweiber auf der Welt!»
    Race fragte kühl: «Dürfen wir hören, was Sie gestern Abend so getrieben haben, Mr. Ferguson?»
    «Wüsste nicht, wieso, aber von mir aus. Ich bin eine ganze Zeit lang rumgestreunt. Dann eine kleine Landpartie mit Miss Robson. Als die wieder aufs Schiff ging, bin ich noch eine Weile allein weitergestreunt. Bin so gegen Mitternacht zurückgekommen.»
    «Ihre Kabine ist im Unterdeck, Steuerbordseite?»
    «Tja, nicht oben bei den großen Tieren.»
    «Haben Sie

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