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Der Tod auf dem Nil

Der Tod auf dem Nil

Titel: Der Tod auf dem Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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sagte er zu Poirot, «Mr. Doyle bittet Sie zu sich.»
    «Ich komme.» Poirot stand auf. Er ging aus dem Rauchsalon, stieg die Kajütstreppe hoch und lief das Promenadendeck entlang zu Dr. Bessners Kabine.
    Simon saß an Kissen gelehnt mit rot glühendem Fieberkopf im Bett. Er sah verlegen aus. «Furchtbar nett, dass Sie gekommen sind, Monsieur Poirot. Sehen Sie, ich habe eine Bitte an Sie.»
    «Ja?»
    Simon wurde noch röter. «Es – es geht um Jackie. Ich möchte sie sehen. Meinen Sie – hätten Sie etwas dagegen – hätte sie, glauben Sie, etwas dagegen, dass Sie sie bitten hierher zu kommen? Ich liege ja die ganze Zeit hier und grübele… Dieses arme gebeutelte Kind – sie ist doch trotz allem noch ein Kind – und ich habe sie verdammt schlecht behandelt – und –» Er brach stotternd ab.
    Poirot sah ihn interessiert an. «Sie begehren Mademoiselle Jacqueline zu sehen? Ich hole sie.»
    «Danke. Schrecklich nett von Ihnen.»
    Poirot machte sich auf die Suche. Er fand Jacqueline de Bellefort in einer Ecke des Aussichtssalons in einen Sessel geschmiegt. Ein Buch lag offen auf ihrem Schoß, aber sie las nicht.
    Sanft sagte Poirot: «Würden Sie mitkommen, Mademoiselle? Monsieur Doyle möchte Sie gern sehen.»
    Sie schrak zusammen und wurde erst rot und dann blass. Sie sah völlig verwirrt aus. «Simon? Er will mich sehen – mich?»
    Er fand sie rührend in ihrer Ungläubigkeit. «Wollen Sie mitkommen, Mademoiselle?»
    Sie folgte ihm artig wie ein Kind, ein sehr verwirrtes Kind. «Ich – ja, natürlich will ich.»
    Poirot brachte sie in die Kabine. «Hier ist Mademoiselle.»
    Sie trat nach ihm ein, schwankte, blieb stehen… und stand stumm und betäubt da, den Blick starr auf Simons Gesicht gerichtet.
    «Hallo, Jackie.» Er war auch verlegen. «Schrecklich nett, dass du gekommen bist. Ich wollte sagen – ich meine – also, was ich meine, ist –»
    Jetzt unterbrach sie ihn. Sie sprudelte – atemlos, verzweifelt. «Simon – ich habe Linnet nicht umgebracht. Du weißt, dass ich das nicht getan habe… Ich – ich war verrückt gestern Abend. Oh, kannst du mir verzeihen?»
    Auch er stockte jetzt nicht mehr. «Natürlich. Das geht in Ordnung! Völlig in Ordnung! Das war es, was ich dir sagen wollte. Ich dachte, du machst dir ein bisschen Sorgen deshalb…»
    «Sorgen? Ein bisschen? Oh! Simon!»
    «Deshalb wollte ich dich sehen. Das geht wirklich in Ordnung. Du warst einfach ein bisschen aus dem Gleis gestern Abend – eine Spur überdreht. Alles völlig normal!»
    «Oh, Simon! Ich hätte dich umbringen können!»
    «Du nicht. Nicht mit so einer jämmerlichen kleinen Musspritze…»
    «Aber dein Bein! Vielleicht kannst du nie wieder laufen.»
    «Jetzt hör auf, Jackie, werd nicht rührselig. Sobald wir in Assuan sind, werfen sie ihren Röntgenapparat an und holen die lumpige Kugel da raus und alles wird gut wie Gold.»
    Jacqueline schluckte ein paar Mal, dann lief sie ans Bett, fiel auf die Knie, legte ihren Kopf in Simons Schoss und schluchzte. Simon tätschelte ihn unbeholfen. Sein Blick kreuzte sich mit Poirots, und der seufzte widerstrebend und verließ die Kabine. Beim Hinausgehen hörte er noch stockendes Gemurmel.
    «Wie konnte ich nur so gemein sein? Oh, Simon!… Es tut mir so entsetzlich Leid.»
    Draußen lehnte Cornelia Robson über der Reling. Sie drehte sofort den Kopf zu ihm. «Oh, Sie sinds, Monsieur Poirot. Es kommt einem so schrecklich vor, dass so ein Tag auch so schön sein kann.»
    Poirot sah hinauf zum Himmel. «Wenn die Sonne scheint, kann man den Mond nicht sehen», sagte er. «Wenn die Sonne aber weg ist – ah, wenn die Sonne untergegangen ist.»
    Cornelia fiel die Kinnlade herunter. «Wie bitte?»
    «Ich habe, Mademoiselle, nur gesagt, wenn die Sonne untergegangen ist, sehen wir den Mond. So ist das, oder nicht?»
    «Wie – wieso, doch – natürlich.» Sie sah ihn skeptisch an.
    Poirot lachte freundlich. «Ich gebe dummes Zeug von mir», sagte er, «achten Sie nicht darauf.»
    Gemächlich schlenderte er in Richtung Achterschiff. Als er an der nächsten Kabine vorbeikam, blieb er einen Augenblick stehen. Drinnen waren Gesprächsfetzen zu hören.
    «Ausgesprochen undankbar – nach allem, was ich für dich getan habe – keine Rücksicht auf deine arme, geschundene Mutter – keine Ahnung, was ich durchmache…»
    Poirot kniff die Lippen zusammen. Dann hob er eine Hand und klopfte. «Ist Mademoiselle Rosalie hier?»
    Rosalie erschien in der Tür. Poirot war schockiert, wie sie

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