Der Tod auf dem Nil
um Ihre eigenen Sachen scheren.»
«Sie hat abgelehnt.»
«Natürlich.»
«Von wegen ‹natürlich›. Ich werde sie so lange bitten, bis sie einwilligt.»
«Ich darf Ihnen versichern, Sir, ich werde dafür Sorge tragen, dass meine Cousine derartigen Nachstellungen nicht ausgesetzt wird», antwortete Miss Van Schuyler bissig.
«Was haben Sie eigentlich gegen mich?»
Miss Van Schuyler zog nur knapp die Brauen hoch, ruckte einmal kräftig an ihrem Wollknäuel, ein Versuch es zurückzuholen, und wollte das Gespräch für beendet erklären.
«Na, kommen Sie», beharrte Mr. Ferguson, «was haben Sie gegen mich?»
«Ich möchte meinen, das liegt auf der Hand, Mr. – äh – ich weiß nicht, wie Sie heißen.»
«Ferguson.»
«Mr. Ferguson.» Miss Van Schuyler sprach den Namen deutlich angewidert aus. «Jeder Gedanke daran erübrigt sich.»
«Sie meinen», fragte Ferguson weiter, «ich bin nicht gut genug für sie?»
«Ich möchte meinen, das müsste auch Ihnen klar sein.»
«Weshalb bin ich denn nicht gut genug?»
Miss Van Schuyler gab wieder keine Antwort.
«Ich habe zwei Beine, zwei Arme, einen ganz brauchbaren Verstand und bin gesund. Was ist daran falsch?»
«Es gibt so etwas wie die gesellschaftliche Stellung, Mr. Ferguson.»
«Die gesellschaftliche Stellung ist Quark!»
Die Tür flog auf und Cornelia kam herein. Sie blieb wie angewurzelt stehen, als sie ihre ehrfurchtheischende Cousine im Gespräch mit ihrem Möchtegern-Freier sah.
Der frevelfreudige Mr. Ferguson drehte den Kopf, grinste breit und rief laut: «Komm ruhig her, Cornelia. Ich halte gerade in aller konventioneller Form um deine Hand an.»
«Cornelia», sagte Miss Van Schuyler, und ihre Stimme war jetzt wirklich Furcht erregend, «hast du diesen jungen Mann ermuntert?»
«Ich – nein, natürlich nicht – jedenfalls – nicht richtig – ich meine –»
«Was meinst du?»
«Sie hat mich nicht ermuntert», kam Mr. Ferguson ihr zu Hilfe. «Das war ich ganz allein. Dass sie mir keine Ohrfeige verpasst hat, liegt nur an ihrem zu weichen Herzen. Cornelia, deine Cousine findet, ich bin nicht gut genug für dich. Das stimmt natürlich, aber nicht so, wie sie es meint. Moralisch kann ich dir bestimmt nicht das Wasser reichen, aber sie findet, ich stehe gesellschaftlich hoffnungslos weit unter dir.»
«Das dürfte Cornelia wohl klar sein», sagte Miss Van Schuyler.
«So?» Mr. Ferguson sah Cornelia fragend an. «Willst du mich deshalb nicht heiraten?»
«Nein, das ist es nicht.» Cornelia lief rot an. «Wenn – wenn ich Sie gern hätte, würde ich Sie heiraten, egal, wer Sie sind.»
«Aber du hast mich nicht gern?»
«Ich – ich finde, Sie haben einfach keine Achtung. Wie Sie reden… Was Sie reden… Ich – ich habe noch nie jemanden getroffen, der nur annähernd ist wie Sie. Ich…» Sie war kurz davor von Tränen überwältigt zu werden und lief aus dem Salon.
«Alles in allem», sagte Mr. Ferguson, «nicht schlecht für den Anfang.» Er machte es sich in seinem Sessel bequem, starrte an die Decke, schlug seine unerwünschten Knie übereinander und verkündete: «Ich fange schon mal an, dich als Cousine zu betrachten.»
Miss Van Schuyler bebte vor Wut. «Verlassen Sie sofort diesen Raum, Sir, sonst lasse ich den Steward kommen.»
«Ich habe meine Fahrkarte bezahlt», erwiderte Mr. Ferguson. «Niemand könnte mich aus diesem öffentlichen Raum werfen. Aber du sollst deinen Willen haben.» Leise «Jo-ho, und ‘ne Buddel voll Rum» singend, stand er auf und schlenderte nonchalant zur Tür und hinaus.
Starr vor Zorn stand Miss Van Schuyler mühsam auf. Poirot kam unauffällig aus seinem Versteck hinter der Illustrierten zum Vorschein und brachte ihr das Wollknäuel.
«Danke, Monsieur Poirot. Wenn Sie vielleicht Miss Bowers zu mir schicken würden – ich bin ganz erledigt – dieser unverschämte junge Mann.»
«Ein bisschen exzentrisch, leider», sagte Poirot. «Das sind die meisten in der Familie. Verzogen, natürlich. Kämpfen gegen jeden Windmühlenflügel.» Und beiläufig fügte er hinzu: «Sie haben ihn doch sicher erkannt?»
«Erkannt?»
«Nennt sich Ferguson und würde nie seinen Titel führen, auf Grund seiner fortschrittlichen Ideen.»
«Seinen Titel?», fragte Miss Van Schuyler scharf.
«Ja, das ist der junge Lord Dawlish. Schwimmt natürlich im Geld, ist aber Kommunist geworden, in Oxford.»
Miss Van Schuylers Gesicht war ein Schlachtfeld widerstreitender Gefühle. «Seit wann wissen Sie das, Monsieur
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