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Der Tod auf dem Nil

Der Tod auf dem Nil

Titel: Der Tod auf dem Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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haben.»
    «Das hat sie, Madame. Aber sie ist sehr stolz und sie war immer loyal.»
    «Ja, und das mag ich – Loyalität, meine ich. Ist ja heutzutage nicht mehr in Mode. Seltsam, dieses Mädchen – stolz, reserviert, dickköpfig, und innen drin wahrscheinlich furchtbar warmherzig.»
    «Ich sehe, ich habe sie in gute Hände gegeben, Madame.»
    «Ja, keine Sorge. Ich kümmere mich um sie. Sie hängt auch schon auf das rührendste an mir.»
    Mrs. Allerton ging zurück in ihre Kabine, Poirot zurück zum Ort der Tragödie.
    Cornelia stand noch immer mit aufgerissenen Augen an Deck. «Ich verstehe das nicht, Monsieur Poirot», sagte sie. «Wie konnte jemand sie erschießen und verschwinden, ohne von uns gesehen zu werden?»
    «Ja – wie?», echote Jacqueline.
    «Ah», sagte Poirot, «so ein Zauberkunststück, wie Sie denken, war das nicht, Mademoiselle. Es gab drei verschiedene Wege, die der Mörder gegangen sein könnte.»
    Jacqueline sah verblüfft drein. «Drei?»
    «Er könnte nach rechts oder er könnte nach links gegangen sein, aber sonst sehe ich keinen Weg», rätselte Cornelia laut.
    Auch Jacqueline runzelte die Stirn. Dann hellte sich ihr Gesicht auf. «Natürlich», sagte sie. «Auf derselben Ebene hatte er nur zwei Richtungen, aber es gibt ja auch rechte Winkel. Das heißt, der nach oben wäre nicht möglich gewesen, aber nach unten konnte er kommen.»
    Poirot lächelte. «Sie haben Köpfchen, Mademoiselle.»
    Cornelia sagte: «Ich weiß ja, dass ich ein dummes Huhn bin, aber ich verstehe es immer noch nicht.»
    «Liebling», sagte Jacqueline, «Monsieur Poirot meint, er hätte sich über die Reling auf das untere Deck schwingen können.»
    «Ach so!», keuchte Cornelia. «Darauf wäre ich nie gekommen. Er müsste aber ganz schön flink gewesen sein. Dann hätte er es wohl schaffen können.»
    «Mit Leichtigkeit», sagte Tim Allerton. «Nicht vergessen, es gibt immer einen Schockmoment nach so etwas. Man hört einen Schuss und ist sekundenlang viel zu gelähmt, um sich zu rühren.»
    «So haben Sie es erlebt, Monsieur Allerton?»
    «Genau so. Ich stand da wie eine Puppe, bestimmt fünf Sekunden lang. Erst dann bin ich ums Deck gerannt.»
    Race kam aus Dr. Bessners Kabine und verfügte streng: «Würden Sie den Weg räumen? Wir wollen die Leiche wegbringen.»
    Alle trotteten folgsam von dannen. Poirot ging mit ihnen. Cornelia erklärte ihm ernst und traurig: «Die Reise werde ich mein Leben lang nicht vergessen. Drei Todesfälle… Das ist, wie wenn man in einem Albtraum lebt.»
    Ferguson hatte ihre Worte aufgeschnappt und gab aggressiv zurück: «Das kommt davon, wenn man überzivilisiert ist. Man sollte den Tod wie ein Orientale sehen. Als bloßen Zwischenfall – kaum beachtenswert.»
    «Das mag wohl sein», sagte Cornelia. «Sie sind eben ungebildet, die armen Geschöpfe.»
    «Tja, und das ist gut so. Bildung hat die weißen Rassen kraftlos gemacht. Kann man ja an Amerika sehen – veranstaltet Orgien an Kultur. Einfach ekelhaft.»
    «Ich finde, Sie reden Quatsch», sagte Cornelia und wurde rot. «Ich höre jeden Winter Vorträge über griechische Kunst und die Renaissance, ich habe auch schon welche über berühmte Frauen der Geschichte gehört.»
    Mr. Ferguson stöhnte gequält auf. «Griechische Kunst, Renaissance! Berühmte Frauen der Geschichte! Mir wird ganz übel bei Ihrem Gerede. Was zählt, ist die Zukunft, nicht die Vergangenheit. Drei tote Frauen hier an Bord. Na, und? Die sind kein Verlust! Linnet Doyle und ihr Geld! Das französische Dienstmädchen – ein Hausparasit. Mrs. Otterbourne – eine unnütze Närrin. Glauben Sie, irgendjemanden interessiert wirklich, ob die tot sind oder nicht? Mich jedenfalls nicht. Ich finde es sogar verdammt gut!»
    «Dann haben Sie Unrecht!», gab Cornelia wutentbrannt zurück. «Und mir wird übel von all Ihrem Gerede, als ob überhaupt nur eins zählt, Sie. Ich mochte Mrs. Otterbourne nicht besonders, aber ihre Tochter hat sie sehr gern gehabt, und der bricht der Tod ihrer Mutter das Herz. Ich weiß nicht viel über das französische Dienstmädchen, aber ich bin sicher, die hatte auch irgendwer irgendwo sehr gern; und was Linnet Doyle angeht – mal abgesehen von allem anderen, sie war einfach liebenswert! Sie war so schön – wenn sie in einen Raum kam, dann hat man einen Kloß im Hals gehabt. Ich bin ja selber ein Heimchen, aber deshalb weiß ich Schönheit desto mehr zu schätzen. Sie war so schön – einfach als Frau – wie jedes griechische

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