Der Tod auf dem Nil
Kunstwerk. Und wenn etwas Schönes tot ist, dann ist das ein Verlust für die Welt. Schluss jetzt!»
Mr. Ferguson fuhr einen Schritt zurück. Er raufte sich die Haare mit beiden Händen.
«Ich gebs auf», sagte er. «Sie sind unglaublich. Sie haben ja nirgendwo auch nur ein bisschen natürliche weibliche Gehässigkeit.» Er wandte sich Poirot zu. «Wissen Sie eigentlich, Sir, dass Cornelias Vater von Linnet Ridgeways Altem praktisch ruiniert worden ist? Aber knirscht das Mädchen mit den Zähnen, wenn sie die Erbin mit Perlen und Pariser Modellkleidern herumstolzieren sieht? Nein, die blökt bloß: ‹Ist sie nicht schön?› Wie ein frommes Bähschaf. Ich glaube, sie war ihr nie auch nur böse.»
Cornelia wurde wieder rot. «Doch, war ich – einen Augenblick lang. Papa ist nämlich an Enttäuschung gestorben, weil er es zu nichts gebracht hatte.»
«Einen Augenblick lang böse war sie ihr! Ich bitte Sie.»
Cornelia schoss herum. «Na, haben Sie nicht gerade behauptet, was zählt, sei die Zukunft, nicht die Vergangenheit? Das alles war in der Vergangenheit, oder? Es ist vorbei.»
«Ich strecke die Waffen», sagte Ferguson. «Cornelia Robson, Sie sind die einzige nette Frau, die mir je über den Weg gelaufen ist. Wollen Sie mich heiraten?»
«Seien Sie nicht albern.»
«Das ist ein echter Antrag – auch wenn ich ihn in Anwesenheit des alten Schnüfflers gemacht habe. Damit sind Sie Zeuge, Monsieur Poirot. Ich habe aus freien Stücken diesem Weibe die Ehe angetragen – gegen meine sämtlichen Prinzipien, ich halte nämlich nichts von Rechtsverträgen zwischen den Geschlechtern; aber wahrscheinlich würde sie sich auf etwas anderes nicht einlassen, also solls die Ehe sein. Komm, Cornelia, sag ja.»
«Ich finde, Sie sind ausgesprochen lächerlich», sagte Cornelia und wurde noch röter.
«Warum willst du mich nicht heiraten?»
«Sie meinen es nicht ernst», sagte Cornelia.
«Was meinst du jetzt, meinen Heiratsantrag oder meinen Charakter?»
«Beides, aber eigentlich den Charakter. Sie machen sich lustig über alle möglichen ernsten Dinge. Bildung und Kultur – und – und den Tod. Auf Sie könnte man sich nie verlassen.» Sie brach ab und rannte mit knallrotem Kopf in ihre Kabine.
Ferguson starrte ihr nach. «Verdammtes Mädchen! Ich glaube, sie meint das wirklich so. Sie will sich auf einen Mann verlassen können. Verlassen – herrje!» Er hielt inne und fragte dann neugierig: «Was ist denn mit Ihnen los, Poirot? Sie sehen aus, als wären Sie tief in Gedanken versunken.»
Poirot kam ruckartig zu sich. «Ich reflektiere, sonst nichts. Ich reflektiere.»
«Meditation über den Tod. Der Tod, die unendliche Dezimalzahl, von Hercule Poirot. Eine seiner berühmten Monografien.»
«Monsieur Ferguson», sagte Poirot, «Sie sind ein sehr impertinenter junger Mann.»
«Sie müssen mir das nachsehen. Ich attackiere einfach gern etablierte Institutionen.»
«Und ich bin eine etablierte Institution?»
«Exakt. Was halten Sie von dem Mädchen?»
«Mademoiselle Robson?»
«Ja.»
«Ich glaube, sie hat einen sehr starken Charakter.»
«Das stimmt. Sie hat Haltung. Sieht sanftmütig aus, ist es aber nicht. Sie hat Mumm. Sie – oh, verdammt noch mal, ich will sie haben. Es wäre vielleicht kein schlechter Zug, der alten Dame auf die Zehen zu treten. Wenn ich die richtig gegen mich aufbringe, bricht vielleicht das Eis bei Cornelia.» Er machte auf dem Absatz kehrt und ging in den Aussichtssalon.
Miss Van Schuyler thronte in ihrer angestammten Ecke und sah noch arroganter aus als sonst. Sie strickte. Ferguson ging mit Riesenschritten auf sie zu. Hercule Poirot, der unauffällig mit hineingegangen war, nahm in diskreter Entfernung Platz und tat, als wäre er vertieft in eine Illustrierte.
«Guten Tag, Miss Van Schuyler.»
Miss Van Schuyler sah eine Sekunde lang hoch, dann sofort wieder nach unten und murmelte kühl: «Äh – guten Tag.»
«Hören Sie mal, Miss Van Schuyler, ich will mit Ihnen reden, über etwas ziemlich Wichtiges. Ich will Ihre Cousine heiraten.»
Miss Van Schuyler fiel das Wollknäuel herunter und sauste durch den Salon.
Sie erklärte giftig: «Sie müssen von Sinnen sein, junger Mann.»
«Ganz und gar nicht. Ich bin entschlossen sie zu heiraten. Ich habe sie schon gebeten mich zu heiraten!»
Miss Van Schuyler musterte ihn kalt, mit dem rein theoretischen Interesse, das sie für irgendeinen seltsamen Käfer erübrigt hätte. «So? Und sie hat Ihnen vermutlich gesagt, Sie sollen sich
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