Der Tod bin ich
hatte, sich auf diese Weise einmieten würde, konnte man ausschließen. Das einzige passable Hotel im Umkreis von dreißig Kilometern war die
Alpenrose
, ein rustikaler Landgasthof, der immerhin gut zwanzig Zimmer anzubieten hatte. Ich dachte, es wäre den Versuch wert, dort nachzufragen, wer sich während der infrage kommenden Tage eingemietet hatte.
Die
Alpenrose
war ein Familienbetrieb, und noch vor zwei Jahren hätte es mich allenfalls einen Anruf gekostet, herauszufinden, wer dort in welchem Zimmer logiert und was für Spuren er hinterlassen hatte. Ich war damals mit Betty liiert, der mittleren von den drei Töchtern der Inhaberfamilie Bolzmacher. Inzwischen war sicher einigesmehr an Charme und Überredungskunst aufzubieten, um sie dazu zu bringen, mir Auskunft zu geben. Mit einem Telefonat war es nicht getan, ich musste schon persönlich vorbeischauen, um Betty dafür zu gewinnen, mich zu unterstützen.
Ich traf sie draußen im Garten bei ihrer Kaffeepause. Sie saß auf der Holzbank am Haus, die so ausgerichtet war, dass man die Morgensonne genießen konnte. Die Bolzmachers hatten den alten Wirtsgarten in den früheren Nutzgarten hinein erweitert, sodass sich die Gäste nicht nur im gekiesten Bereich mit Tischen und Stühlen aufhalten, sondern sich auch auf der Rasenfläche mit einem Gartenstuhl unter den knorrigen Obstbäumen niederlassen konnten.
– Nicht mehr so viel los bei euch zurzeit, oder?
– Interessiert dich das?
Ich versuchte mich durch ihre unfreundliche Erwiderung nicht irritieren zu lassen und lächelte sie an. Es hat mir selten Schwierigkeiten bereitet, mit verflossenen Freundinnen bei späteren Treffen gut auszukommen.
– Dass Eulmann umgebracht worden ist, habt ihr gehört?
– Freilich. Und du hast geerbt. Wart ihr verwandt oder was war da zwischen euch?
– Er hat mich wie seinen Sohn behandelt, vielleicht deswegen.
– Und was haben wir jetzt damit zu tun?
– Ich brauche deine Hilfe. Eulmann war Komponist. Vor ein paar Tagen sind bei Hambichl alle Noten von ihm gestohlen worden.
– Und wie kommst du da auf uns?
– Hambichl hat einen Anruf von einem, wie sich herausstellte, falschen Schweizer Professor erhalten, der ihn wegen der Kompositionen ausgefragt hat.
– Schweizer, sagst du?
Ich nickte.
– Waren die irgendwie wertvoll?
– Womöglich, aber nur für Kenner. Jedenfalls sind das meine Noten und die haben mindestens einen Erinnerungswert, verstehst du? Und ich habe mich gefragt, ob der Dieb sich nicht bei euch eingemietet hat. Dass wir vielleicht mal in eurem Gästebuch schauen könnten?
– Darf ich eigentlich nicht.
– Bitte!
Sie legte ihre Stirn in Falten, um sich anschließend in gespielter Resignation meinem Wunsch zu ergeben.
– Also meinetwegen, gehen wir rein!
Wir gingen zum Empfang, und Betty blätterte im aufgeschlagenen Gästebuch nach hinten.
– Ausländer haben wir einige gehabt in letzter Zeit. Amerikaner, Engländer, einen Slowenen. Ja, auch einen Schweizer. Hier!
Sie deutete mit dem Finger auf einen fast unleserlich geschriebenen Namen. Ich entzifferte ihn als
Kurt Duttwihler
.
– Und was weißt du über ihn? Irgendwelche Auffälligkeiten?
– Pfeifenraucher war er. Sind ja inzwischen selten geworden.
– Und sonst?
– Was meinst du?
– Ob dir noch etwas an ihm aufgefallen ist.
Betty überlegte
– Er hatte ein ganz edel aufgemachtes Zündholzbriefchen neben seinem Tabaksbeutel liegen. Von einem Lokal, das ein Wappen mit gekreuzten Schwertern trägt. Auf den Namen habe ich nicht geachtet, aber dass es in Cambridge war, das weiß ich noch.
15.
Fred nahm wie vereinbart die S-Bahn und fuhr Richtung Wilmersdorf. Am Innsbrucker Platz stieg er in Joes neuen Mietwagen, einengrünen Audi. Joe hatte die Onkel-Tom-Straße in sein Navigationssystem eingegeben. Er bog von der Straße in einen Waldweg ab und parkte das Auto.
– Von hier aus sind es etwa fünfzehn Minuten zu seinem Haus. Die gehen wir besser zu Fuß, sagte Joe.
Joe zog einen Anorak über seinen grünen Overall.
– Wenn sich Malikow an seine Gewohnheiten hält, wird er bei Anbruch der Dämmerung noch eine Runde mit dem Hund drehen.
– Und wo greifen wir ihn?
– An der Krummen Lanke.
Joe sah auf seine Uhr.
– Schon etwas von deinen Leuten gehört?
– Schlechte Nachrichten, erwiderte Fred. Sie haben keinen Zugriff auf die Nutzerdaten.
– Mit anderen Worten: Sie lassen uns hängen?
– So kann man das nicht sagen. Sie bleiben dran, vielleicht fördern sie
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