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Der Tod bin ich

Der Tod bin ich

Titel: Der Tod bin ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Bronski
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Abwechslung sagte er sofort zu, als Grigorij ihn anrief, um sich mit ihm zum Essen zu verabreden. Es gebe etwas zu feiern.
     
17.
    Die Ladenglocke schellte, der junge Mann hinter dem Tresen blickte von der Bestandsliste auf, die er vor sich liegen hatte. Eine ältere Frau war hereingekommen und begann vorsichtig sein Angebot zu inspizieren. Geschenkbuch für den Neffen, tippte er. Wahrscheinlich eine Erstausgabe. Er wandte sich wieder der Kiste unter seinem Tisch zu, griff sich ein Buch, blätterte es auf und setzte ein Häkchen in seiner Liste.
    Der muffige Geruch staubiger Bücher lag in der Luft, die Regale des Antiquariats reichten bis zur Decke, sodass man eine Leiter benutzen musste, um an die Werke weiter oben heranzukommen. Die Plätze in den Fächern waren nach Sachgebieten vergeben. Davor standen Kisten auf Hockern, in denen Billigware zu drei Euro das Stück zusammengeschichtet lag.
    Über seine Lesebrille hinweg registrierte der Buchhändler, dass die Frau nun beim Fachgebiet Physik angekommen war. Sie betastete die Buchrücken, als könne sie nur mit den Fingerspitzen lesen, zog einzelne Exemplare heraus und schob sie aber gleich wieder zurück.
    – Kann ich Ihnen helfen, sagte der Buchhändler.
    – Bestimmt.
    Ella Senoner trat an den Ladentisch heran.
    – Sie sind doch auf wissenschaftliche Werke spezialisiert?
    – Richtig. Was suchen Sie denn?
    Ella wirkte etwas verlegen.
    – Ich war mit einem Physiker gut bekannt. Inzwischen verstorben. Der sagte mal zu mir, dass im Inneren des Atomkerns drei Elemente hausen und ein Dreieck bilden. Das Gespräch beschäftigt mich heute noch. Was könnte er damit gemeint haben?
    Der Buchhändler zog in einer raschen Bewegung die Brille herunter, die er an einer Kordel um den Hals trug, und ließ sie vor seiner Brust baumeln.
    – Quarks! Zwei Up-Quarks und ein Down-Quark, so nennen sie die Physiker. Sie sind durch Gluonen fest verbunden, verleimt sozusagen, wenn man das übersetzen möchte. Und die drei bilden ein Proton, den Atomkern.
    – Man kann sich das so schwer vorstellen.
    Der junge Mann schob die Brille auf die Nase zurück und holte aus dem Behälter neben dem Telefon einen der zurechtgeschnittenen Schmierzettel.
    – Schauen Sie.
    Er zeichnete drei kleine Kreise auf das Papier.
    – Oben zwei Up-Quarks, unten ein Down-Quark. Dazwischen…
    Er verband die Punkte zu einem Dreieck, dessen Spitze nach unten wies.
    – … die Verbindung durch Gluonen.
    Ella besah den Zettel aufmerksam.
    – Und wenn ich das Ganze umdrehe, dass also die Spitze des Dreiecks nach oben weist, gibt es das auch?
    – Freilich. Antiquarks! Dasselbe mit Minuszeichen. Heben sich auf und zerfallen, wenn sie zusammenkommen.
    – Und die Bestandteile werden neu kombiniert, sodass nichts mehr wie zuvor ist.
    – Genau.
    Mit Verwunderung stellte der Buchhändler fest, dass die Augen seiner Kundin feucht schimmerten.
    – Darüber würde ich gerne mehr wissen. Wenn Sie vielleicht etwas leicht Geschriebenes über die Geschichte dieser Entdeckung hätten? Wer daran gearbeitet hat?
    Der junge Mann zog die Schublade unter seinem Tisch auf und entnahm ihr eine zerfledderte Mappe. Mit dem Finger fuhr er die Spalte hinunter.
    – Hier, das könnte Ihnen helfen: Albert Cohen.
Eine kleine Geschichte der Quantenphysik.
Müsste drüben im Regal unter C stehen.
     
18.
    – Ein Schweizer. Raucht Pfeife. Ist um die siebzig Jahre alt. Rüstig. Verkehrt in Cambridge in einem Restaurant, das ein Wappen mit gekreuzten Schwertern führt. Habe ich was vergessen?
    Ich schüttelte den Kopf. Leo hatte recht. Wir hatten wenig in der Hand.
    – Er könnte ihn während seiner Zeit bei Petri an der Hoch schule in Zürich kennengelernt haben, fügte ich hoffnungsvoll an. Die Namen, die er in seinem Nachlass nannte, habe ich noch alle im Kopf.
    – Könnte! Aber gut, nehmen wir das mal an. Wie viele Personen würde das ergeben? Professoren? Möglich, sie müssten aber sehr jung gewesen sein. Bleiben die Assistenten und wissenschaftlichen Hilfskräfte. Und die älteren Studenten. Sind wir mal gnädig und sagen: ungefähr fünfzig, den Rest sieben wir aus.
    – Musst du mir den letzten Funken Hoffnung auch noch zerreden?
    Leo gab keine Antwort mehr. Er war mit seiner Teezeremonie beschäftigt. Endlich wandte er sich mir wieder zu, nicht ohne mir erneut eine Schale voll grünem Tee eingegossen zu haben. Ich schob sie beiseite.
    – Wenn du nichts dagegen hast, hole ich mir jetzt lieber ein Bier.
    Leo wies in die

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