Der Tod des Chefs/Mord mit doppeltem Boden
beweisen.«
»Reisen?« Er versuchte, den
Unschuldigen zu spielen, wirkte aber eher wie ein gefangenes Tier.
»Ja, Reisen. Der Kauf der Tickets hätte
sich vielleicht verheimlichen lassen — wenn Sie und Ihre Komplicen nicht so
dumm gewesen wären, sich des Reisebüros und des Scheckbuchs des Museums zu
bedienen -, aber die Beweise in Ihrem Paß lassen sich nicht vertuschen.«
Tonys Gesicht war aschfahl.
»Sie sehen, ich weiß Bescheid, Tony.
Ich wollte nur bis nach der Eröffnung damit warten, den Verwaltungsrat damit zu
konfrontieren — und die Polizei zu informieren.«
»Elena — das Museum! Der Skandal!«
»Das Museum wird den Skandal schon
überleben.«
»Aber wem gehört Ihre Loyalität?«
»Sie reden mir von Loyalität? Wo war
denn die Ihre, als Sie sich auf diesen Schwindel einließen?«
»Frank sagte, es würde niemandem
schaden.«
»Frank sagte während seines Lebens viel
Unwahres.«
»Elena, die Toten — er ist noch nicht
einmal unter der Erde.«
»Das ändert nichts an den Tatsachen.«
»Elena, Sie können das nicht tun.«
Er kam einen Schritt näher und hob die
Arme, als wollte er sie mir auf die Schultern legen. Plötzlich hatte ich Angst.
In meinem Zorn hatte ich eine explosive Situation heraufbeschworen. Ich hätte
überhaupt nicht mit Tony sprechen sollen. Vielleicht war er ja der Mörder.
Ich hob die Hände und nahm die seinen.
Sie waren eiskalt und zitterten.
»Okay, Tony, beruhigen Sie sich.«
»Aber Sie dürfen das nicht tun!« Seine
Stimme schwoll an.
»Pscht. Schreien Sie nicht so.«
»Denken Sie, wenn schon nicht an mich,
dann an Susana. Was ihr geschehen wird. Die Deportation. Diese Schande...«
»Gut, Tony. Ich sag Ihnen was: Wir
sprechen nach dem Fest noch einmal darüber.«
Ein Hoffnungsschimmer blitzte in seinen
Augen auf. War es Verstellung?
»Sie werden es sich noch einmal
überlegen?«
»Ich werde wahrscheinlich während der
ganzen Feier an nichts anderes denken. Aber Sie müssen auch Ihr Teil tun,
Tony.«
»Mein Teil?«
»Sie müssen für die Getränke sorgen,
wie geplant, und mit keinem Menschen über diese Sachen sprechen — auch nicht
mit Susana.«
Ich ließ seine Hände los. Seine Arme
fielen schlaff herab. »Elena, Sie werden das nicht bereuen.«
Wenn das nicht Theater war, konnte Tony
mir nur leid tun — Opfer einer lebenshungrigen jungen Frau, die ihm
wahrscheinlich die Zuwendung verweigerte, wenn er ihr nicht den Luxus bot, den
sie sich wünschte; ausgenutzt von Frank, der ihn zugleich vor anderen verhöhnt
hatte. Und jetzt schien er ernstlich zu glauben, ich würde meinen Entschluß,
die Unterschlagungen auf den Tisch zu bringen, ändern, nur weil er für Susana
gebeten hatte. Armer Tony.
15
El Cinco de Mayo. Der Tag des Sieges über die Franzosen
in Puebla. Mit Glück würde heute auch mir ein Sieg gelingen.
Ich stand beim Torbogen zum Mittelhof
und sah dem Treiben zu. Es war erst sieben Uhr, aber das Museum war schon zum
Brechen voll. Bei einem Eintrittspreis von fünfzig Dollar pro Person würden
sich da unsere Kassen füllen. Merkwürdig — eine Woche zuvor hätte mich dieser
Gedanke noch erregt. Ich hätte heimliche Pläne geschmiedet, wie ich Frank das
Geld lange genug vorenthalten konnte, um ein paar wirklich gute Landschaften zu
erwerben und unsere spärliche Sammlung von Kunstwerken aus der Reformzeit
aufzustocken. Jetzt gingen mir ganz andere Gedanken durch den Kopf.
Welcher meiner Mitarbeiter war der
Mörder? Wen unter diesen Menschen, die ich im großen und ganzen mochte, würde
ich der Polizei in die Hände liefern? Ich war aufgeregt, nervös, und ein
bißchen Angst hatte ich auch. Ich wünschte, es wäre alles schon vorbei.
Ich sah zum Portal, wo Maria und Jesse
die Eintrittskarten entgegennahmen. Maria hatte das dunkle Haar hochgesteckt,
ihre Lippen und ihre Fingernägel waren blutrot. Wenn der Strom der Gäste einmal
ins Stocken kam, wandte sie sich Jesse zu, um ihm hinter vorgehaltener Hand mit
blitzenden Augen etwas zuzuflüstern. Und er flüsterte lachend zurück. Der
Verlobungsring funkelte an Marias Hand.
Für Jesse und Maria hatte das Leben
eine radikale Wendung genommen. Kein Frank mehr, der Maria das Leben zur Hölle
machte und Jesse damit drohen konnte, seine Kunstwerke nicht auszustellen. Den
beiden lachte eine glückliche Zukunft — wenn nicht einer von ihnen Frank
getötet hatte. Ich beobachtete sie einen Moment lang mit zusammengekniffenen
Augen, ehe ich in den Hof hinausging.
Das Buffet
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