Der Tod des Landeshauptmanns
drei, die er besuchte, lehnten sein Ansinnen kurzerhand ab. Sie ließen sich auch auf keine Diskussion ein, schon nach wenigen Minuten war er wieder vor der Tür. Jakov überlegte: Auf diese Art werde ich es wahrscheinlich nicht schaffen, denn das Argument war überall das gleiche: Wir können Reparaturanleitungen nicht aus der Hand geben; wenn sich jemand selbst am Wagen zu schaffen macht, werden trotzdem wir zur Verantwortung gezogen, wenn danach etwas mit den Fahrzeug passiert. Jakov erschien das ohnehin nicht unlogisch, doch ohne Anleitung sah er keine Chance, das „Ersatz-Teil“ herzustellen. Er wusste, da ging es um millimetergenaue Arbeit, mit irgendeinem Pfusch würde er nicht reüssieren.
Nachdem er noch am Abend mit Yossi Galem telefoniert hatte und ihm erstens von den Schwierigkeiten und zweitens von einer möglichen Lösung erzählt hatte, die aber Geld koste („Keine Unsummen, aber es muss doch so viel sein, dass der auch nachgibt …“), setzte er sich am nächsten Tag auf die Lauer. Am späten Nachmittag wartete er in der Nähe einer Volkswagen-Werkstatt, die er gestern besucht hatte, bis die Arbeiter ihre Schicht beendet hatten. Jetzt war eine ziemliche Portion Glück notwendig: Jakov sah sich jeden der Männer, die durch die Tür kamen, genau an, ließ die ersten drei an sich vorübergehen und entschloss sich für den vierten: Der war schon etwas älter, man konnte davon ausgehen, dass er ein paar Kinder zu füttern hatte und dass das Geld bei ihm – obwohl er einer regelmäßigen Arbeit nachging – immer knapp war. Der Mann ging zur Busstation, doch nach ein paar Minuten vergeblichen Wartens entschied er sich offenbar, den Weg zu Fuß fortzusetzen. Jakov verfolgte ihn mit Respektabstand; nur drei Gassen später kehrte der Mann in einer Bar ein. Kurz danach stand Jakov neben ihm, bestellte ein Glas Kudler-Bier und sprach ihn an: „Heiß heute, nicht?“ Der Mann schien nicht sehr gesprächig zu sein, er nickte nur kurz mit dem Kopf. Jakov gab nicht auf. Er erfand eine Geschichte, von der er ziemlich sicher war, dass sie Anklang finden würde: Er erzählte von einem vereitelten Attentat, das er heute früh miterlebt hatte (in Wahrheit hatte er davon in den Radionachrichten erfahren), und tatsächlich zeigte der Mann sofort Interesse. Rasch hatten sie sich vorgestellt („Sagen Sie einfach Mordechai zu mir“), und so ging eins ins andere. Er hatte tatsächlich drei Kinder, erzählte von seiner Frau, die ständig an ihm herumnörgelte und sich beschwerte, dass er zu wenig Geld nach Hause brachte. Eine halbe Stunde später hatte Jakov Mordechai so weit: Gegen entsprechendes Bargeld würde er ihm die Reparaturanleitung eines Phaeton verschaffen – morgen um etwa die gleiche Zeit würden sie sich wieder in dieser Bar treffen.
Jasmins Körper verlangte nach frischer Luft. Sie beschloss, den Rückweg vom Restaurant zu Fuß zu gehen, eine halbe Stunde würde sie auch mit nur einem Teller Suppe im Bauch schaffen. Sie spazierte über den Alten Platz, hinter ihr ging wieder ein Mann, doch der war deutlich jünger als ihr erster Verfolger, den sie trotz seines auffälligen Trachtenhuts nicht wirklich genommen hatte. Jedes Mal, wenn sie sich in einem Schaufenster die neue Herbst-Kollektion ansah oder die neueste chinesische Importware, die Tchibo um billiges Geld vertrieb, blieb auch der Mann im hellbraunen Mantel stehen, so unverdächtig, wie es nur Personen mit detektivischen Interessen tun.
Als sie etwa in der Mitte der Bahnhofstraße war, entschloss sie sich spontan, in die Redaktion zu gehen und mit Herbert Katterer, ihrem Chefredakteur, zu sprechen. Sie hatte ihm versprochen, er würde der erste sein, dem sie die Geschichte erzählte, wenn es einmal so weit wäre. Er war in seinem Büro, das einzige, das nicht im Großraum lag. Auch wenn er durch seine Glaswände alles – zumindest optisch – mitverfolgen konnte, gab es bei ihm doch so etwas wie eine Privatsphäre. Jasmin bat ihn um strengste Geheimhaltung, die er ihr zusicherte, und legte dann los: Sie erzählte von Stefans Verschwinden, von der Leiche in der Garage, von ihrer eigenen Entführung und der überraschenden Freilassung, vom Kriminalkommissar, der den Fall untersuchte, und den langen E-Mails, die ständig in ihrem Postfach landeten und als deren Urheber sie nur Stefan vermuten konnte. Instinktiv – er konnte eine gute Story riechen, auch wenn sie noch meilenweit entfernt war – dachte Katterer: „Wow, wenn wir darüber schreiben
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