Der Tod des Landeshauptmanns
ein junger Kriminalbeamter, Gerhard Schliefnig, der in der Sache „Stragger“ recherchierte. „Chef“, begann er, um sich im selben Augenblick daran zu erinnern, dass ihm Bugelnik diese Anrede ausdrücklich verboten hatte, „die Kollegen vom Diebstahl haben da eine seltsame Anzeige hereinbekommen: Aus der Pathologie im LKH soll eine Leiche gestohlen worden sein.“ Bugelnik stellte den Zusammenhang sofort her – das muss der Tote sein, der in der Garage von Stefan Stragger hinter dem Steuer saß. „Ja, aber gemerkt haben sie es erst, als wir ihnen den Toten gebracht haben, von dem wir ja vermutet haben, dass es der Stefan Stragger ist.“ Bugelnik beschloss, ins Landeskrankenhaus zu fahren und die Sache an Ort und Stelle zu überprüfen.
Er war noch nie im neuen Kärntner Landeskrankenhaus gewesen, das gebaut wurde, weil Haider beschlossen hatte, die rund hundert Jahre alten Gebäude stillzulegen und um 160 Millionen Euro ein neues Klinikum zu errichten. Nur das Beste war gut genug, sogar den Fluss Glan mussten sie dafür verlegen, immerhin war das jetzt eines der modernsten Krankenhäuser Österreichs. Aus alter Gewohnheit (Bugelnik hatte vor ein paar Jahren seine Mutter öfter besucht, als sie sich den Oberschenkelhals gebrochen hatte) wollte er zum Eingang Krassnigstraße fahren, doch dann erschien ihm der Haupteingang als klügere Lösung. Er ließ sich vom Eingangsportier den Weg zur Pathologie beschreiben, nach wenigen Querstraßen hatte er aber die Orientierung verloren. Warum kann man nicht Hinweisschilder so aufstellen, dass sich auch Durchschnittsbürger zurechtfinden, dachte er, um dann notgedrungen das Seitenfenster herunterzukurbeln und eine Krankenschwester nach dem richtigen Weg zu fragen.
„Alt werde ich hier nicht“, dachte er sich, als er die Leichenkammer der Pathologie betrat, die sich vor allem durch einen stechenden Geruch auszeichnete. Oberarzt Dr. Andreas Raunegger, im weißen Ärztekittel und mit einer kleinen, runden Nickelbrille auf der Nase, war sichtlich aufgeregt: „Also das haben wir hier noch nie erlebt, eine Leiche wird gestohlen und kommt dann einfach wieder zurück!“ Bugelnik war vor allem interessiert daran herauszufinden, wie denn der Verlust der Leiche entdeckt worden war. „Ein Mitarbeiter hat gemerkt, dass die Schublade nicht richtig geschlossen war – das ist wie bei einem Kühlschrank, da wollen Sie auch nicht, dass die Tür offen steht.“ „Haben Sie hier eine Überwachungskamera?“ „Ja, was glauben Sie denn, damit wir sehen, was die Toten unternehmen, wenn wir am Abend das Licht ausschalten? Nein, hier gibt es keine Kamera.“ Bugelnik sah sich um: In dem Raum standen mehrere Tische, ganz offensichtlich jene, auf denen die Leichen seziert wurden. Einen Sekundenbruchteil lang erschien das Bild vor seinen Augen, wie der Brustkorb eines Verstorbenen mit einer Elektrosäge aufgeschnitten wird, doch er verdrängte es schnell, er hatte keine Lust, sich vor dem Arzt zu übergeben. An der Wand standen die typischen Kühlfächer mit den Aluminium-Türen, wie überhaupt Aluminium das vorherrschende Metall in einer Leichenkammer zu sein schien. Am gegenüberliegenden Ende des Raumes sah er noch eine Tür, durch die Milchglasscheibe war nicht zu erkennen, was sich dahinter befand. „Wohin kommt man, wenn man da durchgeht?“, fragte er den Oberarzt und zeigte auf den Ausgang. „Hier kommen die Leichen an, und hier werden sie auch wieder abtransportiert, man kann mit dem Wagen direkt ins Freie fahren.“ „Und ist die Tür versperrt?“ „Ja, normalerweise schon, nur unser Personal und die Mitglieder der Einsatzfahrzeuge haben eine Art Universalschlüssel.“ Bugelnik ging auf die Kühlladen zu und bat Dr. Raunegger, ihm die Leiche zu zeigen, die kurzfristig verlorengegangen war. Raunegger blickte auf die Namensschilder, die an jeder Tür hingen, und öffnete dann eine in der mittleren Reihe. Er zog an einer Art Schublade und wie aus einem Geschirrfach rollte die Leiche ins Blickfeld des Kommissars. Auf der großen Zehe hing ebenfalls ein kleiner Zettel, offensichtlich mit dem Namen des Toten. Bugelnik wartete, bis er das Gesicht erkennen konnte – er sah tatsächlich dem Mann täuschend ähnlich, den der oder die Unbekannten ans Steuer von Stefan Straggers Auto gesetzt hatten. „Danke vielmals, das reicht mir“, sagte er zum Oberarzt und versuchte so oberflächlich wie möglich zu atmen, „ich schicke gleich die Kriminaltechniker zur Spurensicherung
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