Der Tod des Maerchenprinzen
ihm spontan und cool zu. Meine es auch ernst in diesem Moment. Weil mir alles zu anstrengend ist mit ihm. Wirklich! Auch wenn’s mir wieder keiner glaubt.
Später dann kommen mir Zweifel. Hab ich nicht doch nur deshalb so reagiert, damit er nicht noch mal die Gelegenheit hat, mich zu verschmähen? War es doch ein Anflug von Stolz? Wie läßt sich das damit vereinbaren, daß ich mich ihm im Brief doch grade wieder vor die Füße geschmissen hab sozusagen. Hier bin ich, Arne, nimm mich! Je n’attends que toi.
Ich zerreiße ihm seine ewige Telefonnummern-nicht-dabei-Habe-rei. Er beharrt hartnäckig auf seinen Geschichten vom Vergessen und Verlegen seiner Portemonnaies. Ich geb’s auf. Daß ich ihm nicht glaube, scheint nicht angekommen zu sein. Auch nicht, daß ich ihm gesagt habe: Sei wenigstens einmal ehrlich. Aber es ist ihm auch nicht wichtig, sich zu vergewissern, ob ich ihm seine Erklärungen nun abnehme. Er ist seine Ausrede los. Das reicht ihm. Weiter im Text. Ich will von ihm wissen, ob er unsere Beziehung auch als total verkrampft empfunden hat in der letzten Zeit. Weil aus dem, was er sagte, durchklang, daß er sich mit mir nicht mehr wohl gefühlt hat. Nein, als verkrampft hat er sie gar nicht empfunden. (Armer blinder Prinz Eisenherz!) Nur diese ewige Diskutiererei! Er möchte sich lieber nur so treffen und einfach was zusammen machen.
«Mensch, Arne! Diese ewige Diskutiererei kommt doch genau daher, daß die Sachen nicht abgeklärt sind, daß unausgesprochene Dinge mich belasten. Das ist doch genau die Verkrampfung.» Ich gebe mein eigenes Taktieren zu. Sage, daß es Scheiße war. Daß er das gespürt haben muß und daß es ganz klar ist, daß er sich mit mir unwohl gefühlt hat. Aber bewußt ist davon nichts bei ihm angekommen. Er hat wochenlang nur gesehen: Die will immer diskutieren! Wie nervig! Daß «die» vielleicht damit was zwischen den Zeilen vermitteln könnte, auf die Idee ist der junge Mann natürlich nicht gekommen. Das wäre von einem Männerhirn ja auch zuviel verlangt. Bei Arne muß frau schon Klartext reden. Alles in diskussionsreife Satzgefüge packen. («Ich komme mit euch Intellektuellen nicht klar.») Ich muß die ganze Zeit mitleidig grinsen. Tut mir leid, aber ich kann ihn nicht mehr ernst nehmen. Rede mit ihm darüber, daß ich ihn nicht mehr ernst nehme. Aber natürlich sehe, weshalb er so geworden ist. Er bringt es auf den Widerspruch zwischen Anspruch und praktischem Verhalten. Nein, den meine ich gar nicht. Den gestehe ich jedem Linken zu. Das ist für mich klar, daß wir immer mit unserem Verhalten hinter unseren theoretischen Einsichten hinterherhinken werden. Nur bei ihm ist es ’n bißchen happig. Seine ganzen Verdrängungsmechanismen. Sein Sich-nicht-mit-sich-selber-Auseinandersetzen.
Er findet meine Position nicht richtig. Findet es falsch, so pädagogisch an jemanden ranzugehen wie ich an ihn, wenn ich sage, diskutieren mit ihm bringt nichts, also muß ich mir wirklich methodisch-didaktische Mittel ausdenken, um ihm was klarzumachen.
Er findet meine Position nicht richtig. Mehr nicht. Unsere Ausgeburt an Selbstbewußtsein ist natürlich in keiner Weise verletzt, daß ihm je frau sagt, sie nehme ihn nicht ernst.
Wie unsicher muß ein Mensch sein, um nicht einmal zugeben zu können, daß ihn das verunsichert? («Ich finde deine Position nicht richtig.»)
Arne fragt: «Wie war denn die Diskussion gestern mit Sabine?»
Was für ’ne Diskussion? Ich treff mich mit Sabine ja nun nicht nur, wenn ich was mit ihr diskutieren will.
«Wir haben gar nichts diskutiert. Wir haben uns über Gott und die Welt unterhalten. Bißchen über Kunst. Bißchen über Literatur.» Aber wie er mich an Sabine erinnert, fallen mir doch noch ’n paar Sachen ein. Und ich breite ihm noch mal die Einschätzung seiner Person aus, die ich von ihm habe. Die Sabine von ihm hat. Und die so ganz im Gegensatz zu dem steht, was er immer gerne für ein Bild von sich selber zeichnen möchte. Und irgendwie muß ich da in ein Wespennest gestochen haben.
Arne flippt aus: «Bei mir läuft nicht alles über ’n Kopf. Da konnte Sabine auch nicht mit umgehen, als sie diese zwei Seiten von mir gesehen hat. Erst hat sie nur gesehen, daß bei mir alles über ’n Kopf läuft, und dann hat sie festgestellt, daß es doch nicht so ist, und dann stand sie davor und konnte nichts damit anfangen.» Seine Augen sprühen. Mit den Händen fuchtelt er wild in der Luft herum. Wiederholt das Ganze zwei-, dreimal. Immer
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