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Der Tod des Maerchenprinzen

Der Tod des Maerchenprinzen

Titel: Der Tod des Maerchenprinzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Svende Merian
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wilder seine Gestik. Er kann gar nicht ruhig sitzen. Sein ganzer Körper arbeitet.
    Ich frag: «Warum wirst ’n jetzt so aufgeregt?» Noch mal dasselbe. Er geht nicht auf meine Frage ein, auch nicht, als ich sie wiederhole. Reagiert nur noch mit ausgeflippteren Bewegungen und erzählt mir das Ganze noch mal.
    Er ist so kaputt. Kann überhaupt nicht mit sich selber umgehen. Kann sich gar nicht drauf einlassen, wenn ich ihn ganz ruhig frage: «Warum bist ’n so aufgeregt?» Unfähig, seine eigenen Verdrängungsmechanismen überhaupt als vorhanden zu akzeptieren.
    Ich mag ihn.
    Und ich nehme ihn nicht ernst. Das heißt wirklich, daß ich pädagogisch an ihn rangehe. Aber das muß man bei so einem kaputten Typen doch auch. Ich durchschaue seine Unfähigkeiten, und er durchschaut sie nicht. Ich hab’s ja hundertmal «diskutiert». Und wenn das nichts nützt, muß ich mir halt andere methodisch-didaktische Mittel einfallen lassen, um ihm was klarzumachen. Und bei allem Nicht-ernst-Nehmen:
    Ich mag ihn.
    Ich mag ihn nicht trotzdem, sondern Ich mag ihn mit allen seinen Schwächen und Kaputtheiten.

    Ich frage ihn, was er eigentlich gedacht hat neulich nacht. Das interessiert mich wirklich mal. Was sich in Arnes Kopf abspielt in einer solchen Situation.
    «Nichts hab ich mir gedacht. Was soll ich mir gedacht haben?»
    Ganz selbstverständlich sagt er das. Als wenn es das Normalste von der Welt ist, nachts aus undurchsichtigen Gründen von einer Frau aus dem Bett geschmissen zu werden und sich nichts dabei zu denken. So einfach ist das.
    «Ich hatte mir grade gedacht: Jetzt diskutierst du das — und dann gehst du danach», setzt er noch hinterher. Er sagt mir also noch einmal unaufgefordert, daß er sowieso hinterher gehen wollte. Daß ich mir nicht einbilde, ich hätte ihn rausgeschmissen!
    Ich höre ihm die ganze Zeit mit einem ziemlich arroganten Lächeln zu. Einem Lächeln, das ihm noch einmal nonverbal zu verstehen geben soll, daß ich ihn nicht mehr ernst nehme. Ein Lächeln, das so tun soll, als wenn ich diese Distanz will, die jetzt zwischen uns ist. Ein cooles, arrogantes Lächeln. Genauso distanziert, wie unser körperliches Miteinanderumgehen.
    «Was wolltest du eigentlich von mir. Weshalb hast du dich immer noch mit mir getroffen?» frage ich.
    «Ich bin immer dann gekommen, wenn du das wolltest.»

    Ich schnappe nach Luft: Das glaubt er vor allen Dingen bestimmt selber! Hat er nichts Besseres zu tun, als zu jedem hinzurennen, der zu ihm sagt: «Arne, komm Freitag abend zu mir.»
    Aber er glaubt da selber dran! Damit er sich nicht darüber Gedanken machen muß, was sein eigenes Interesse daran ist, sich mit mir zu treffen. Ich bin immer dann gekommen, wenn du das wolltest. Weshalb hat er dann meine Hand gestreichelt vorm Einschlafen? Und weshalb hat er mich am Morgen auf dem Flur so umarmt? Macht er das bei jedem, der zu ihm sagt: «Arne, komm Freitagabend zu mir.»
    Irgendwie hat das doch alles keinen Zweck. Es ist wieder eine dieser sinnlosen Diskussionen, die uns kein Stück weiterbringen. Arne blockt alles ab, was auch nur ein bißchen in sein Seelenleben Einblick gewähren könnte. Und dann sage ich ziemlich plötzlich: «So. Ich geh jetzt.» Und bin auch schon aufgestanden. Gehe zum Tresen und bezahle. Und dann entdecke ich Imke und unterhalte mich noch zehn Minuten mit ihr. Lasse mir von ihr den Weg zum Bahnhof erklären. Arne ignoriere ich ganz bewußt. Soll er nicht denken, daß er mich noch interessiert!
    Als ich gehe, sage ich ihm noch, daß er seinen Kaffee nicht noch mal bezahlen braucht. Er fragt mich, ob er mir ’ne Mark geben soll.
    «Ach, weißt du, Arne, ’n Kaffee kann ich dir schon noch mal ausgeben.»
    Er steckt sein Portemonnaie wieder ein.
    Draußen nieselt es. Den Weg zum Bahnhof hab ich nicht verstanden. Schreie zwei Leuten zu: «Eh, könnt ihr mir sagen, wo’s zum Bahnhof geht?»
    Da kommt Arne rausgelaufen: «Ja, das wollt ich dir grade erklären.» Arne. In seinem Philadelphia University-Pullover. Streckt schon den Arm aus in Richtung Bahnhof: «Es ist schön, daß du gekommen bist, du mußt hier gradeaus, etwas links — und dann siehst du die Gleise.» Guckt mich dabei nicht an.
    Wie kann man jemandem sagen: Es ist schön, daß du gekommen bist, ohne ihn dabei anzusehen? Armer Prinz Eisenherz!

    Ich überlege, ob ich noch auf die Fete fahre, zu der ich heute abend eingeladen bin. Warum eigentlich nicht? Soll ich mich jetzt zu Hause hinsetzen und mich grämen?
    Die Fete ist, wie

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