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Der Tod des Maerchenprinzen

Der Tod des Maerchenprinzen

Titel: Der Tod des Maerchenprinzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Svende Merian
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wollte endlich mal alles rauslassen, auch noch viele Sachen, die ich jetzt nicht mehr alle schreiben kann, ich wollte wenigstens von meiner Seite aus ’ne total ehrliche Beziehung zu Dir. Aber inzwischen ist mir halt klargeworden, daß die Ehrlichkeit gar nicht das Problem war/ist.
    Das einzige Problem für mich ist jetzt, daß ich unheimlich gerne mit Dir zusammen bin, aber jede Berührung mit Dir, jede Umarmung und jedes Streicheln alle notdürftig verschütteten Sehnsüchte in mir wieder aufreißt, und ich glaube, daß es für mich besser ist, Dich erst mal nicht mehr zu sehen.
    Schwierig ist für mich jetzt, daß so viele Sachen noch in meinem Kopf rumoren, die ich mit Dir besprechen wollte, und ich mir denke, daß mich das genauso belastet, wenn ich Dich ab sofort nicht mehr sehe.
    Ich habe in den letzten drei Tagen oft an den einen Morgen gedacht, wo ich Dich erst drei Tage kannte und mir gesagt habe: Bloß raus hier, solange es noch geht. Noch bist du nur verliebt in ihn, wenn du ihn erst länger kennst und anfängst, ihn wirklich zu lieben, ist es zu spät...
    Ich hätte mich damals entscheiden sollen.

    Ich will Dich nicht mehr sehen... will ich Dich wirklich nicht mehr sehen?

    Ich kann mich nicht entscheiden!

    Ich bringe den Brief nach Altona. Gleich am Montag. Damit er ihn gleich heute nachmittag hat, wenn er von der Arbeit kommt. Und danach fühle ich mich eine Woche lang wohl. Sauwohl. Hab erst mal so richtig Ruhe. Gehe zur Uni und zur Arbeit. Schreibe Tagebuch:

    Überwintern...
    Heute morgen hat es zum erstenmal geschneit. Bei den ersten Schritten im frischen Schnee heute morgen ist es mir klargeworden: Ich muß überwintern.
    Gestern abend war mir schon klar, daß ich mir Zeit lassen muß, viel Zeit, unbestimmte Zeit, um die Trauer zu verarbeiten. (Werde ich mich im Frühling wieder verlieben können?) So idiotisch ist die Frage gar nicht. Ich muß mir eingestehen, daß ich mich danach sehne. Aber es passiert ja nur dann, wenn frau gar nicht damit rechnet.
    Aber klarmachen muß ich mir jetzt, daß ich mich jetzt noch nicht wieder verlieben kann. Und ich muß diese Zeit jetzt erst mal überstehen: Überwintern...
    Wie will ich überwintern?

    Warum kann ich immer dann nicht mehr schreiben, wenn ich endlich am Schreibtisch sitze? In der U-Bahn fliegen die Sätze nur so durch meinen Kopf. Aber wenn ich dann endlich könnte, habe ich keine Lust mehr zu schreiben.
    Soll ich mich zwingen? — Oder ist das eine ganz gesunde innere Weigerung, die Qual noch einmal zu durchleben?
    Aber ich durchlebe sie doch täglich! In der U-Bahn, am Arbeitsplatz, wenn ich draußen herumlaufe. Was will ich denn eigentlich? Will ich Arne vergessen, verdrängen, endlich loswerden?
    Mir muß erst ganz endgültig klarsein, daß es absolut aus ist. Dann kann ich es richtig verarbeiten. Ich war nur deshalb manchmal ganz gut drauf in den letzten Wochen, weil ich mich so in den Gedanken reingesteigert habe, daß es doch noch mal irgendwann wieder was wird mit Arne.

    Ich liege bei mir auf dem Bett. Vor mir meine Postkarten mit naiver Malerei... In eins von diesen Häusern flüchten, die so geheimnisvoll schillern. — Leuchtend grün oder purpurrot. ln eins von diesen Traumhäusern flüchten. Mein Traumhaus. Ich möchte in diese schöne heile Welt, die so bunt mit ihren Farben lockt.
    Was erwarte ich im leuchtenden Dunkel? ... Arne?
    Ich bin nicht geschaffen für diese Welt. Ich lebe wirklich in einer anderen. Wo in geheimnisvollen Wäldern und verwunschenen Dörfern und Städtchen schöne Prinzen mir auflauern. Gutaussehende junge Männer, die so lieb und nett sind, daß ich mich auch ad hoc in sie verlieben kann. — Wie in Arne.

    realität

    sind die illusionen,
    die mich nicht
    loslassen.

    Bis zum Wochenende kann ich mich mit Tagträumen hinhalten. Dann kann ich nicht mehr daran vorbei, daß ich Arne wiedersehen will. Ich habe versucht, über ihn hinwegzukommen, indem ich mich weiter mit ihm treffe. Das hat nicht geklappt. Und ich habe versucht, über ihn hinwegzukommen, indem ich mich nicht mit ihm treffe. Das hat auch nicht geklappt. Mir wird bewußt, daß ich jeden abend im Bett liege und an Arne denke. Daß ich jeden Tag in der Gegend rumlaufe und an Arne denke. Daß es keinen Unterschied macht, ob ich ihn sehe oder nicht. Mit meinen Gedanken bin ich doch permanent bei ihm. Also schreibe ich ihm eine Postkarte:
    «Lieber Arne!
    Ich möchte Dich doch sehen. Ruf mich mal an.»
    Telefonnummer schreib ich ihm vorsichtshalber

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