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Der Tod des Maerchenprinzen

Der Tod des Maerchenprinzen

Titel: Der Tod des Maerchenprinzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Svende Merian
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klassisches Beispiel. Arne ist nicht irgendeine unglückliche Liebe für mich. Arne ist eine besonders schlimme unglückliche Liebe. Aber trotzdem ein klassisches Beispiel. Ich werde die Geschichte mit Arne so gründlich aufarbeiten, daß ich an Hand dieser Geschichte für die Zukunft lerne. Ich werde ein Buch schreiben.
    Schon am Morgen nach dem Gespräch mit Arne sitze ich an der Schreibmaschine. Ich beginne mit den schönen Szenen. Wie alles angefangen hat. Auf der Wiese. Und die ersten Abende mit ihm. Wenn ich die Augen schließe, kann ich sie fast wiederholen, diese Stunden, wo ich wirklich im Glück versunken war. Und ich hole sie mir wieder. Immer wieder hole ich mir diese Bilder hoch, lasse dieses Gefühl sich ausbreiten in mir — dieses Gefühl, mit ihm zusammenzusein. Ihn zu spüren, mit jeder Faser meines Körpers.

    Ich will ein Buch schreiben. Und wenigstens ehrlich soll es sein. Ich will ein Buch schreiben, über Arne. Über meine Beziehung zu Arne. Über mich. Warum ich ihn liebe. Damit ich aufhöre, ihn zu lieben. Beim Schreiben Klarheit gewinnen. Klarheit, warum ich ihn immer noch liebe, obwohl ich schon seit einem Vierteljahr weiß, daß er mich nicht liebt. Seit einem Vierteljahr. Eine ganz normale unglückliche Liebe. Drei Monate sind doch gar nichts. Für eine wirkliche Liebe sind drei Monate gar nichts. Aber ich habe ihn doch nur drei, vier Wochen gekannt. Wie kann man jemannden, den man erst so kurz kennt, so lieben, daß man nicht aufhören kann, obwohl so klar ist, daß er die Gefühle nicht erwidert. Daß diese Gefühle einen unglücklich machen werden. Und man das nicht erst seit gestern weiß. Das nicht die erste Erfahrung dieser Art ist.
    Frau ist schließlich nicht mehr vierzehn und in pubertärer Weltfremdheit zum erstenmal verliebt. Frau ist 24 und hat zehn Jahre einschlägige Erfahrungen mit Männern hinter sich. Wie konnte sie es sich erlauben, sich so schnell so blindlings zu verlieben. In einen wildfremden Menschen. Der heute nicht mehr wildfremd ist, und den sie immer noch liebt.

    Ich will ein Buch schreiben. Um Klarheit zu gewinnen. Über Arne. Über mich. Warum ich ihn liebe. Damit ich aufhören kann, ihn zu lieben.
    Kann ich aufhören, ihn zu lieben? Wenn nicht, wird mir darüber auch das Schreiben des Buches Klarheit bringen. Deshalb muß es ehrlich sein. Ehrlich vor mir selber. Sonst bringt es mir gar nichts. Und ehrlich gegenüber Arne. Weil dieses Buch vielleicht die letzte Möglichkeit für ihn ist, mich wirklich zu begreifen. Zu verstehen, wer ich bin. Mit wem er es zu tun gehabt hat. Mich noch einmal in meinen ganzen Zusammenhängen, Widersprüchlichkeiten, früheren Erfahrungen und so weiter ihm darstellen. Damit er... vielleicht... begreift, wie ich ihn erlebt habe, warum ich ihn so erlebt habe. Damit er vielleicht einiges von dem begreift, was ich ihm zu vermitteln unfähig bin, wenn ich ihm gegenübersitze und in Einzelpunkte zerpflückt, ihm meine Person begreiflich machen will. Er steht vor zerrupften, auseinandergerissenen Tatsachen und kann die Konturen nicht erkennen. Die Frau, die da krampfhaft versucht, ihm ihre ganze Persönlichkeit darzustellen. Er hat Kritik an Einzelpunkten, die er gerne haben könnte... Wenn er nur erst mal das Ganze begriffen hätte.

    Ich schreibe dieses Buch für mich. Und für Arne. Er soll es lesen. Ich kann ihn nicht zwingen. Aber ich hätte gerne, daß er es liest. Indem ich das Buch für Arne schreibe, schreibe ich es aber auch für mich. Weil es für mich ein letzter Versuch ist. Weil es für mich ein letztes Mal wichtig ist zu versuchen, ob er mich nicht doch noch begreifen kann. Damit wir uns wenigstens dieses Stück näher sind. Vielleicht kann er mir dann verständlich machen, warum er mich nicht begriffen hat. Dann würde ich ihn wiederum besser verstehen. Und vielleicht würde dann alles wieder von vorne anfangen. Vielleicht würde er durch das Buch merken, daß er mich in Wirklichkeit auch liebt...
    Ich betrüge mich selber. Ich darf mir keine Hoffnung mehr machen. Dieses Buch ist nicht dazu da, um mir Arne wiederzubringen, sondern um mir zu helfen, darüber hinwegzukommen, daß ich ihn für immer verloren habe. Mir Klarheit zu verschaffen, warum das so sein mußte. Deshalb muß es ehrlich sein.
    Wenn ich ihn am Ende dieses Buches immer noch liebe... was hat das Schreiben dann für einen Sinn gehabt? Oder wichtiger noch: Was soll ich dann noch machen, um den Schmerz zu überwinden? Wieder lebensfähig zu werden?

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