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Der Tod des Maerchenprinzen

Der Tod des Maerchenprinzen

Titel: Der Tod des Maerchenprinzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Svende Merian
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seinen Rasierapparat in Dortmund vergessen hat. Als uns der Gesprächsstoff ausgeht, brauche ich keinen mehr. Habe Mut gewonnen und kann ihn weiterstreicheln. Ohne zu reden. Das Reden hat meinem Streicheln einen so beiläufigen Charakter gegeben. Jetzt habe ich keine Angst mehr. Es muß nicht mehr beiläufig wirken. Er soll ruhig merken, daß ich ihn jetzt streicheln will und nichts anderes. Ich will nicht mit ihm schlafen. Ich will ihn streicheln. Aber nicht beiläufig, sondern wirklich lieb und zärtlich. Seine Haare. Sein Gesicht. Ich wage es, mit meinen Fingerspitzen kleine Ausrutscher zu seinem Hals zu machen. (Achtung: erogene Zone.) Werde mutiger, bleibe bei seinem Hals und seinem Nacken. Weiß, wie ich austicken würde, wenn mich jemannd da so ganz zart streichelt. Er sagt nicht, daß ich aufhören soll. Wenn er es nicht schön findet, soll er das sagen. Ich kann nicht aufhören, ihn im Nacken zu kraulen. Finde es schön. Fühle mich wohl. Werde irgendwann müde. Und fauler. Bin entspannt. Habe das ganz sichere Gefühl, heute nacht schlafen zu können. Als ich dann irgendwann meinen Arm von seiner Schulter nehme, läßt er meine Hand los und dreht sich auf die andere Seite.

    Ich fühle mich immer noch wohl. Auch wenn wir uns nicht mehr berühren. Ich höre ihn atmen. Spüre seine Nähe. Fühle irgendwie Wärme. Obwohl es eiskalt im Zimmer ist. Ich mit Pullover und Wollstrümpfen unter der Decke liege. Finde es schön, neben ihm zu liegen.
    Es wird laut. In der Wohnung über uns scheint jemand nach Hause gekommen zu sein. Außerdem hört man jedes Geräusch aus dem Treppenhaus. Aber nicht schlimm. Kann trotzdem leicht wegnippeln, weil ich mich entspannt fühle. Arne liegt neben mir. Berührt mich nicht. Aber ich spüre seine Nähe. Krieche mit meiner eiskalten Nasenspitze unter den Schlafsack und atme seine Nähe ein. Ich bin bei ihm.

    Als der Wecker klingelt, belagere ich ihn sofort wieder. Schmuggle meinen Arm unter seine Bettdecke. Ohne zu zögern. Fange wieder an, ihn zu streicheln. Er will was vom Kopfkissen abhaben. Ich schiebe beide Kissen ein Stück näher zu ihm hin. Er kommt mit dem Kopf zu mir heran, obwohl es nicht nötig wäre. Es sind zwei Kissen, und er könnte sich eins rübernehmen. Aber er kommt mit dem Kopf ganz dicht zu mir heran, und wir liegen beide zusammen auf den beiden Kissen. Seine Haare sind eiskalt, weil das ganze Zimmer eiskalt ist. Ich bade mein Gesicht in seinen eiskalten Haaren. Streichle ihn weiter. Sein Gesicht, seinen Hals, seinen Nacken, seine Haare.
    Als er nach dem Wecker guckt, stützt er sich auf mir wie an einem Stück Brett ab. Das ist die einzige Berührung, die er mir seinerseits widmet heute morgen .
    Aber ich wollte es ja so haben. Ich mußte herfahren. Mir beweisen, daß es so ist. Daß er meine Zärtlichkeiten nicht erwidert.
    Als er aus der Tür geht, strecke ich ein letztes Mal meinen Arm nach ihm aus. «Hast du nun Donnerstag abend Zeit?» Er geht vorbei, ohne sich zu bücken, ohne mich zu berühren. «Ich weiß noch nicht. Ich ruf euch noch an.»

    Am Dienstagabend am Abendbrottisch gebe ich Uschi die drei Seiten zu lesen, die ich über meine Vergewaltigung geschrieben habe. Wie ich Arne von meiner Vergewaltigung erzählen wollte, und er dann mitten drin gesagt hat: «Das interessiert mich jetzt eigentlich weniger.»
    Uschi sagt: «Mit einem Menschen, der sich mir gegenüber so verhält, würde ich nie wieder ein Wort reden wollen. Nie wieder!» Ihr sei richtig schlecht geworden, als sie das gelesen hat. Richtig erschüttert von dem, was ich da erlebt habe. Und wenn jemannd so was erzählt kriegt und dann nicht versucht, die Frau zu verstehen, die ihm das erzählt... dafür gäbe es keine Entschuldigung. Ich würde bestimmt wieder Gründe finden, weshalb er in der Situation nicht darauf eingegangen ist und so. Aber dafür gibt es keine Gründe. Wenn mann so reagiert wie Arne, dann zeugt das von Desinteresse und ganz starker Mißachtung.
    Ich muß Uschi recht geben. Ich war wirklich schon wieder dabei zu begründen, daß Arne darauf nicht eingegangen ist, weil er was anderes diskutieren wollte. Daß wir ja in der Diskussion um unsere Beziehung, seine letzte Freundin und um mich waren. Um mich? Waren wir in der Diskussion um meine Person? ...
    Ich sitze da und starre auf den Tisch. Auf die drei schreibmaschinenbetippten Seiten vor mir. Ich lese nichts. Ich sehe nichts mehr. Irgend etwas Dumpfes, Unergründliches geht in mir vor. Ich kann nicht fassen, was es

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