Der Tod des Maerchenprinzen
«die Leute» doch von mir denken, was sie wollen!
Als ich kurz vor Mitternacht das zweite Mal bei ihm vor der Tür stehe, kommt er gerade die Straße hochgelaufen. Begrüßt mich kurz und beiläufig. Als wenn es das Selbstverständlichste von der Welt ist, daß ich mitten in der Nacht bei ihm vor der Tür stehe. Ich tu auch so. Wozu soll ich sagen: Bin vorbeigekommen, weil ich... Wenn es ihn interessiert, soll er schon fragen. Als er telefonieren geht, hol ich mir erst mal mein Buch aus seinem Bücherregal. Blättere drin, als er wiederkommt. (Ich bin beschäftigt. Er soll nicht denken, ich will was von ihm.) Wir unterhalten uns über seine Blumen und andere unverfängliche Themen. Lächeln uns an. Warum nicht? Er soll nicht denken, daß mich seine Gegenwart verunsichert. Mitten im Gespräch erwähnt er, daß die Bilder an den Wänden von ihm sind. Nun muß ich sie mir aber mal ansehen. Landschaften, die mir gefallen. Ich wundere mich. Arne malt Bäume, Wiesen und Wälder. Arne, der sich gestern darüber aufgeregt hat, als ich ihm gesagt habe, daß ich gerne Bilder von unberührter Natur male. Der sich daraufhin gewundert hat, wie wenig Substanz ich habe. Arne malt Bilder, die von mir stammen könnten. Als ich ihn darauf anspreche, meint er: «Ja. Das ist mein Verhältnis zur Natur.»
Ob ich auch noch ’n Stück spazierengehen will? Ja. Gerne. Ich mach alles heute abend , was den Eindruck aufrechterhält, ich fühle mich hier wie zu Hause. Will ihn so lange provozieren, bis er mir sagt, ich soll ihn in Ruhe lassen. (Heute hat er schon nicht mehr gesagt: Schön, daß du kommst!)
Als wir zum Spaziergang losgehen, fragt er mich ganz beiläufig; «Wolltest du hierbleiben heute oder willst du noch wieder nach Hause?»
«Nein, ich wollt hierbleiben.»
Erzähle ihm auf dem Spaziergang über den Folklore-Tanz heute morgen und den blöden Pubertierling, mit dem ich getanzt habe. Bißchen über Kinder, bißchen über Politik. Wenn wir nichts zu reden haben, fühl ich mich trotzdem nicht fehl am Platze. Er muß schon sagen, wenn er mich nicht will.
Zu Hause gehen wir gleich ins Bett. Arne schläft auch bei Minustemperaturen mit offenem Fenster. Ich lege mich mit Pullover und Wollstrümpfen ins Bett. Arne zieht sich aus. Hat ein Unterhemd mit langen Ärmeln und einem weiten Halsausschnitt an. Während er sich auszieht, erzählt er mir, wie er die Wände hier gestrichen hat und guckt dabei an die Decke. Wie er da steht in seinem weißen Hemd mit diesem weiten Ausschnitt. Seine schwarzen Haare fallen ihm ganz weich in den Nacken. Unter seiner Haut spielen Adern und Sehnen, während er redet. Er redet und redet. Guckt an die Decke und zieht sich aus. Und ich starre auf seinen Halsausschnitt und möchte über ihn herfallen. Er sieht so niedlich aus in seinem weißen Hemdchen.
Seine Unterhose hat er sich wieder bis unter die Achselhöhlen hochgezogen. Na ja. Das ist vielleicht etwas übertrieben, aber mindestens bis zur Taille. Die Zipfel vom Unterhemd zieht er dann durch die Unterhose, so daß sie ihm links und rechts mindestens zwanzig Zentimeter unten aus den Beinlöchern raushängen und seinem Körper ganz bizarre Konturen verleihen. Die Schiesser-Werbefachleute würden die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Er widerspricht wirklich sämtlichen Idealen männlicher Unterwäsche-Kultur. Ich könnte ihn knuddeln.
Als wir im Bett liegen, warte ich nicht auf seine Hand. Ich nehme sie mir. Aber nicht, wie gewohnt mit meiner rechten Hand, sondern mit der linken, damit ich meinen rechten Arm zum Streicheln frei habe. Lege meinen Arm ganz selbstverständlich auf seine Schulter. Habe keine Lust, ihn zu streicheln. Bin müde. Aber wahrscheinlich lähmt mich nur wieder die Angst, und ich bin zu feige.
Aber ich will ihn doch nicht gegen meine eigene Lust anmachen. Ich hab gar keine Lust, mit ihm zu schlafen jetzt. Aber ich hab doch mit Uschi diskutiert, daß ich es «ausreizen» muß. Wenn ich aber doch nun selber nicht will...
Allmählich fängt meine Hand ganz von alleine an, Lust zu haben. Da sind auch keine Hemmungen mehr. Es bringt mir Spaß, mit seinem weichen Haar zu spielen. Mit meinen Fingern über seine Wangen zu fahren. Ganz sanft. Immer wieder. Ich kann nicht aufhören. Bin süchtig nach seiner weichen Haut. Seine Bartstoppeln sind inzwischen auch schon so lang, daß sie schon weich sind und nicht mehr kratzig. Als ich anfange, ihn zu streicheln, spreche ich dabei mit ihm. Über seine Bartstoppeln und daß er
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