Der Tod des Maerchenprinzen
erlebt, daß ein Mensch mich mit seinen Augen so lieben konnte.
Salzige, glänzende Perlen auf weißen Buchstaben. Tränen auf den Tasten meiner Schreibmaschine. Heute nacht werde ich wieder nicht schlafen können. Vor drei Tagen habe ich aufgehört, Alkohol zu trinken, um einschlafen zu können. Werde ich heute abend doch wieder in die Kneipe gehen? Vier Wochen lang habe ich täglich abends was getrunken. Jetzt will ich das durchhalten. Ich bin keine Alkoholikerin.
Ich schreibe ein Buch. Seit zwei Wochen mache ich nichts anderes. Plötzlich wird mir klar, daß sich nichts geändert hat. Ich habe Arne seit zwei Wochen nicht gesehen und schreibe ein Buch. Es hat sich nichts geändert. Ich liebe ihn. Und ich will nicht wahrhaben, daß es vorbei ist. Ich will Arne. Mir wird klar, daß ich anders vorgehen muß.
Als ich Uschi sage, daß ich doch am besten noch mal mit Arne... reden und so... mit ihnen zusammen... da sagt sie: «Fahr hin! Du mußt hinfahren. Fahr heute abend hin. Fahr immer wieder hin. So lange, bis dir klar ist, daß da nichts läuft.» Sie hat recht. Wenn ich hier zu Hause sitze, kann ich mir Luftschlösser bauen. Mir alles genauso ausmalen, wie ich es gerne möchte. Der reale Arne kann mir nicht dazwischenplatzen. Hier zu Hause habe ich es nur mit dem Arne zu tun, der auf seinem schillernden Rappen um meine Luftschlösser herumreitet. Ich muß hinfahren. Um mir in der Realität zu beweisen, daß er ganz normal zu Fuß durch seine Anderthalb-Zimmer-Wohnung geht.
Ich fahre nach Altona. Arne ist zu Hause. Allein. Sagt: «Das ist schön, daß du kommst», als ich in die Tür komme.
«Findest du es wirklich schön?»
«Ja. Es ist doch immer schön, wenn jemand kommt.» Umarmt mich, will mich zu sich heranziehen. (Zärtlichkeiten verweigern! Zärtlichkeiten verweigern! Zärtlichkeiten verweigern!) Sanft schmiege ich mich an seine Brust. Und finde es schön. «Na, ich bin ja nun nicht irgend jemand », sage ich und schmiege mich an seine Brust.
Arnes Schlafzimmer. Ein paar Matratzen, ein Bücherregal. Sein «Schreibtisch» besteht aus einem krummen Brett, das er auf die Heizung gelegt hat. Vorne ragt es ein paar Zentimeter über. Arne sitzt auf seinem Stuhl davor. Ich setze mich aufs Bett. Ich erzähle ihm, daß ich angefangen habe, ein Buch zu schreiben, um die Beziehung zu verarbeiten. «Aber ich komm einfach nicht drüber weg. Es will einfach in meinen Kopf nicht rein, daß es vorbei ist.»
«Ich glaub, es ist besser. Ich glaub, es ist besser, wenn es vorbei ist», sagt Arne. Aber vorher macht er noch etwas anderes. Als ich die ersten Sätze raushabe, daß ich nicht über ihn wegkomme, da lacht er plötzlich ganz doof. Total unvermittelt. Ich weiß nicht, was daran lustig ist. Frage ihn, warum er lacht. «Selbstironie», meint er. Als ich das nicht verstehe und nachbohre, sagt er, es war wohl Verlegenheit. Und dann sagt er, daß er glaubt, daß es besser ist, wenn’s vorbei ist. Arne sagt nicht: Es ist vorbei! — «Ich hab mir gestern beim Spazierengehen überlegt, daß ich auch gerne wieder mit ’ner Frau zusammen wäre.»
Ich horche auf. Sehe meine Chancen blühen und gedeihen. Aber dann kommt, daß er seinen politischen Weg vor Augen hat und sich überlegt, mit wem er denn gehen könnte. Das möchte ich auch mal wissen! Die Frau möchte ich mal sehen!
Ich möchte mal mit Uschi und Jan zusammen mit Arne reden. Wenn ich mit ihm alleine bin, höre ich scheinbar immer an den Sätzen vorbei, die mir deutlich machen würden, daß er nichts mehr von mir will. Wenn ich dann zu Hause bin, klingt in meinem Ohr nur noch so was nach wie: Ich hab mir überlegt, daß ich auch gerne wieder mit ’ner Frau zusammen wäre. Ich möchte mal jemanden dabei haben, der mich mit Gewalt auf die Sätze stößt, die ich scheinbar immer nicht hören will. Arne ist damit einverstanden. Er schlägt Freitag vor. Weiß es aber noch nicht genau und will vorher lieber noch mal telefonieren.
Arne lädt mich zum Essen ein. Ich erzähle ihm, daß ich in den letzten Tagen ganz viele Bilder gemalt habe. Alles Bilder von Zerstörung, Verwesung und Weltuntergang. Und dann erzähle ich dummerweise, daß mich mittelalterliche Geschichte wahnsinnig interessiert. Wie die Masse der Bevölkerung vor Hunderten von Jahren gelebt hat. Die Bauern und Handwerker. «Es wundert mich immer wieder, wie wenig Substanz du hast», sagt Arne. Ich frage, wie er das meint.
Ja, mein Geschichtsinteresse sei so rückwärts gerichtet. Sein
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