Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tod des Maerchenprinzen

Der Tod des Maerchenprinzen

Titel: Der Tod des Maerchenprinzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Svende Merian
Vom Netzwerk:
Steine lose sein! Ein Loch nagen. Ein Loch nagen, um an das Innere zu gelangen!
    Aber auch, wenn die Fassade von außen die gleiche zu sein scheint: Die Mauern sind dicker geworden im Laufe der Jahre. Er hat innen weitergebaut. Einen Stein an den anderen. Immer dicker die Mauern. Noch einmal meine Zähne in die Mauern dieser Fassade schlagen? Nach zähem Ringen mit blutigem Kiefer zurückweichen.
    Vielleicht ist irgendwo noch die kleine Tür, in die er mich früher mal reingelassen hat. Vielleicht hat er sie nicht zugemauert. Die kleine Tür, die aufgeht, wenn er mit einer Frau zärtlich ist, die er liebt. Wenn er eine Frau streichelt und ihr in die Augen sieht. Wenn er mit ihr schläft.
    Diese kleine Tür, die wenige Wochen auch für mich offengestanden hat. Und dann plötzlich zu war. Ich ohne den Schlüssel davorstand. Eine verschlossene Tür, an der nicht einmal eine Türklinke zu finden war. Eine Tür, durch die ich gerne gegangen bin, weil der Weg durch sie schön war. Sehr schön.
    Aber auch die einzige Tür, die jemals offen war. Die einzige. Ansonsten Mauern. Graue, hohe Mauern. Undurchdringlich. Unanfechtbar. Schutz und Trutz. Eine uneinnehmbare Burg.

    Verdammt. Wenn du doch damals begriffen hättest, daß ich zu so vielem bereit gewesen wäre. Daß ich dir geholfen hätte, diese Mauern abzutragen, die du jetzt noch fester um dich gezogen hast. Diese Mauern, die es dir unmöglich machen, andere Menschen zu dir zu lassen und selber zu anderen zu gelangen. Wenn du das doch damals begriffen hättest. Damals. Als ich dich geliebt habe. Heute empfinde ich nur noch Mitleid mit dir. Mit Mitleid kann ich dein Leben nicht ändern. Du kannst dein Leben auch nicht ändern. Du wirst so weiterleben... leben...?
    Meine Hand erschlafft in seiner. Unsere Hände sind kalt geworden. Eiskalt in den Fingerspitzen. Ich bin müde. Entsetzlich müde. Ich will hier raus. Will hier raus. Raus.
    Ich will vergessen. Alles vergessen. Diese Küche. Den Teekessel. Die fleckige Wand und den alten Mann. Die halb volle Whiskyflasche. Sein altes Gesicht und seinen Geruch. Und daß ich ihn einmal geliebt habe. Daß er mein Märchenprinz war.
    Ich kann hier nicht raus. Es hat keinen Sinn rauszulaufen, weil ich diese Stunde nie vergessen werde. Sie wird mich verfolgen. Wird mir Vorwürfe machen: Warum hast du ihm nicht geholfen?
    Ich bin doch nicht schuld. Konnte doch nicht mehr für ihn tun, als mir den Kiefer blutig zu beißen!
    Ich bin müde. Entsetzlich müde. Der Tee in meiner Tasse ist kalt. Er wärmt meine Finger nicht mehr. Mir ist übel. Ich kann nicht gehen. Bin hilflos. So hilflos. Ich kann ihn nicht allein lassen. Wenn ich ihm schon nicht zum Leben verhelfen kann, dann eben... Aber es darf ihm nicht weh tun. Muß schnell gehen.

    Als ich die Tür hinter mir zuziehe und auf die Straße hinaustrete, schlägt mir ein eisiger Wind ins Gesicht. Es ist dunkel geworden. Schnee liegt auf den Bäumen. Der Frühling wird neues Leben bringen. Ich bin 38. Wenn ich damals ein Kind von ihm bekommen hätte, hätte ich jetzt vielleicht einen vierzehnjährigen Sohn mit schwarzen Flaaren und leuchtenden braunen Augen.

    Schon wieder ein Traum von Arne.
    Arne, der neben mir im Bett liegt und sich an mich ankuschelt. Und ich, die seine Umarmung erwidert. Irgendwann muß ich aufs Klo. Überlege mir noch, ob ich jetzt gehen soll. Aber man kann ja hinterher weiterschmusen. Ich gehe aufs Klo. Er auch. Ich freue mich darauf, gleich wieder mit ihm im Bett zu liegen. Mein Gesicht in seinem baden zu können. Und in seinen Haaren. Es war so schön warm und kuschelig eben.

    Plötzlich Arne angezogen in der Küche. Lauter Leute. Spiegeleier. Jetzt komm ich nicht mehr an ihn ran. Nichts mehr von wegen weiterschmusen. Wäre ich bloß nicht aufs Klo gegangen! Was für ein Quatsch! Wenn Arne wirklich mit mir hätte weiter im Bett liegen wollen, dann hätte er sich nicht angezogen. Dann hätte er die Tatsache, daß Leute da sind, nicht als Anlaß genommen, sich auf diese Art und Weise von mir zu entfernen. Er wollte sich von mir entfernen. Die Aufs-Klo-Geherei war nur der Anlaß.
    Aber vielleicht wäre es doch noch weitergegangen, wenn ich ihm nicht so einen Anlaß gegeben hätte. Aber das ist doch letzten Endes egal. Mach dir doch nichts vor. Er wollte nicht mehr. Er wollte nicht mehr. Wollte nicht mehr!

    Ich sehe ein Bild in der Zeitung, wo ein Mann eine Frau umarmt, die auf ihm liegt. Ich muß an Arne denken. Wie ich das letzte Mal mit ihm geschlafen habe. Wie

Weitere Kostenlose Bücher