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Der Tod des Maerchenprinzen

Der Tod des Maerchenprinzen

Titel: Der Tod des Maerchenprinzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Svende Merian
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aber ich kann es nicht mehr. Ich habe es verlernt. Nur ganz selten geht es noch. Wie jetzt zum Beispiel. Jetzt liege ich im Bett und weine. Halte nichts mehr zurück. Ich brauche meine Tränen. Was habe ich von der noch so emanzipierten Forderung, daß Männer keine Tränen wert sind, wenn sie mich doch nur kaputtgemacht hat?

    Am nächsten Abend erzähle ich das Jan und Uschi. Daß ich nur noch heulen konnte heute nacht und nicht mehr weiß, wie ich mit mir umgehen soll. Zum einen lechze ich nach einer wirklich tollen Liebesbeziehung. Zum anderen fällt mir meine sonstige Isolation auf den Wecker. Ich will soziale Kontakte, aber ich habe keine Lust, welche zu pflegen, weil ich mich doch unzufrieden fühle. Ich sitze da mit Leuten und denke: Ich möchte verliebt sein und jemannden haben. Mit ’ner Zweierbeziehung würd ich mich auch unter Leuten wohler fühlen.
    Und dann setze ich mich unter Druck, kontaktfreudiger zu sein. Und jetzt muß ich mir endlich eingestehen, daß ich im Moment kein, fast kein Interesse an Menschen habe. Ich bin unglücklich so alleine, aber ich habe wirklich kein Interesse, auf andere zuzugehen. Ich merke, daß ich mich mit mir selber beschäftigen muß, will. Daß ich ohne zeitliche Zwänge jetzt eine Einsamkeitsphase ausleben muß. Und daß es schön sein kann, sich vorrangig mit sich selber zu beschäftigen. Es ist keine verschenkte Zeit, die frau mit sich selber verbringt. Und dann wird sicher irgendwann von alleine der Punkt kommen, wo ich wieder Interesse an Menschen habe. Wann der kommt ist egal. Wie das aussehen wird auch. In mir gärt und brodelt etwas. Wo es hinführen wird, weiß ich nicht. Ich lasse es brodeln. Es wird schon irgendwann gar sein. Dann werde ich schon sehen, wie es schmeckt.
    Mit der Erkenntnis, meine innere Unruhe erst einmal in Ruhe zu lassen, abzuwarten, fühle ich mich wieder stark.

    schwarze vögel haben mich verlassen,
    wie gut,
    daß ich sie fortgeschickt habe.

    leiser schon
    das schlagen ihrer schwingen.
    lichter schon

der nebel um mich.

    wo
    werde ich aufwachen?

    Ich bin so müde geworden im Umgang mit Menschen. Es bringt mir ganz selten Spaß, mich mit jemandem zu unterhalten. Und zu einem solchen Zeitpunkt ist es Blödsinn, mich selber unter Druck zu setzen, auf Menschen zuzugehen. Ich kann nicht, weil ich gar nicht will. Das muß ich erst mal akzeptieren. Auch wenn ich mich alleine nicht glücklich fühle. Ich kann mit den meisten Menschen im Moment nichts anfangen.
    Genauso, wie ich immer darauf gewartet habe, mich neu zu verlieben. Und aber tagtäglich festgestellt habe, daß die Männer mich nicht interessieren. Ich finde alle Männer uninteressant im Moment. Ich kann mich nicht verlieben. Es geht nicht.
    Die Diskussion mit Uschi und Lothar macht mir klar, daß ich das erst mal akzeptieren muß. Das ist so. Damit muß ich jetzt erst mal leben. Ich gehe spazieren. Einmal ganz um die Alster. Alleine. Nachts um zwölf. Ich fange an zu begreifen, daß ich im Moment alleine sein muß. Daß ich mich nicht unter Kommunikationszwänge setzen kann, die gar nicht aus mir selber kommen.
    Es dauert noch einige Tage, aber dann ist es so weit, daß ich es bejahen kann. Ich bin jetzt so weit, daß ich alleine sein will. Ich unterhalte mich nur noch mit Leuten, wenn ich Bock habe. Halte mir selber nicht mehr den moralischen Zeigefinger vor: Du kannst dich doch nicht so isolieren!
    Als ich mit Rita telefoniere, erzähle ich ihr das alles. «Ja», sagt sie, «das kenn ich. Man möchte immer gerne so ’n Bild von sich selber haben, daß man kontaktfreudig ist und viele Leute gut kennt. Und dann macht man sich auch gerne was vor. Will das nicht wahrhaben, daß es nicht so ist.»
    Ich fange an, mich richtig wohl zu fühlen mit mir selber. Kann auch mit viel Spaß wieder meine kleinen Marotten ausleben und dazu stehen. Ich habe nun mal meine kleinen Ticks. Einer davon ist zum Beispiel, in langen, weiten Röcken rumzulaufen. Egal, wo ich hingehe. Es hat lange genug gedauert, bis ich begriffen hatte, daß Röcke tragen nicht unemanzipiert sein muß. Mir saß die Mini-Rock-Zeit so in den Knochen, die nur dazu da war, daß die Männer uns besser unter die Röcke gucken konnten. Und dann hatte ich auch Angst, durch meine Kleidung schon von weitem als Frau erkannt zu werden. Angst vor der Vergewaltigung auf der Straße. Jeans und Parka als Selbstschutz. Ich will nicht dauernd angemacht werden. Und plötzlich merke ich, daß ich mich stark genug fühle. Daß ich meine

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