Der Tod des Maerchenprinzen
gute Laune, tanzen mit zehn bis fünfzehn Frauen um dieses häßliche grün-weiße Auto herum. Die Bullen sind einen Augenblick etwas verwirrt, dann besinnen sie sich der PS, die sie unter der Motorhaube haben und geben Gas. Genau auf die beiden Frauen zu, die gerade vorne vor dem Wagen sind. Die Frauen spritzen auseinander, was sollen sie sonst auch tun? Bei «Mensch gegen Auto» zieht in der Regel der Mensch den kürzeren. Und im selben Moment, ehe frau sich’s versieht, thront plötzlich Arne auf der Kühlerhaube. Hat gesehen, daß die Frauen zu schwach sind, um das Auto aufzuhalten und springt tapfer als kühner Retter in die Bresche. Wenn die Frauenbewegung ihn nicht hätte...
Als ich ihn zehn Minuten später auf seine gute Tat anspreche, meint er: «Ich dachte, wir könnten den aufhalten.» — So ’n Quatsch! Wir hatten nie vor, den Bullenwagen aufzuhalten. Wir haben ihn lächerlich gemacht. Das war der Sinn unserer Aktion. Ein Haufen lebenslustiger junger Frauen mit Frauenzeichen und Anti-AKW-Plaketten, die tanzend und singend die Staatsgewalt einkreisen. Was will denn der Prinz Eisenherz da vorne auf der Kühlerhaube?
Zu Hause erzähle ich das Jan und Uschi. Nachdem das erste Gelächter verklungen ist, meint Jan: «Er ist so ’n richtiger Don Quichotte. Der Ritter von der traurigen Gestalt. Mutig springt er in die Bresche, wo keine zu schlagen ist!»
Ich habe mich mit einem Typen aus Arnes BI verabredet. Der einzige, der mich immer noch grüßt. Oder sagen wir mal: fast der einzige, obwohl auch er mich nur als «Freundin von...» kennengelernt hat. Als ich ihn besuche, sage ich ihm das: «Weißt du, ich hab dich angesprochen, weil du der einzige bist, der mich noch kennt. Die anderen aus Arnes BI scheinen mich nicht mehr zu kennen, obwohl sie mich nicht seltener gesehen haben als du. Für die bin ich halt ein paar Wochen als die Freundin von Arne aufgetaucht. Als Individuum bin ich nicht wahrgenommen worden.»
«Das kann ich mir vorstellen», sagt er.
Ich erzähle ihm, daß ich auch versucht habe, mit Arne darüber zu reden. Aber der hat einfach nicht geschnallt, was ich eigentlich meine. Und ich habe dann gedacht, ich versuch’s einfach. Alle Ängste beiseite geschoben. Alle Ängste, als unscheinbare Freundin eines Politmackers wahrgenommen zu werden. Hab mich ganz mutig ein paarmal in den Kreis seiner BI reingesetzt. Und jetzt, ein halbes Jahr später, erinnern die meisten nicht einmal mein Gesicht. Also liegt es nicht nur an mir, daß ich davor Angst habe. Es ist ja ein paarmal ganz real so gewesen, daß ich Leute grüßen wollte, weil ich dachte: Ach, die kennst du doch aus Arnes BI... und dann wie üblich mit meinem freundlichen Lächeln in der Luft hängengeblieben bin. Leute, mit denen ich mal am selben Tisch gesessen habe. Verlange ich zuviel? — Ich bin nicht nur die Freundin von... verdammt noch mal. Ich bin Svende. In erster Linie bin ich Svende. Begreift das denn keiner? — Doch! Mindestens einer hat das doch begriffen. Und das war Rainer. Der hat mich jedesmal gegrüßt, wenn er mich sah. Und nicht nur irgendwie beiläufig, sondern so, daß ich das Gefühl hatte. Der freut sich, wenn er mich sieht. Wieso eigentlich? Wir kennen uns doch kaum. Ha! Reingefallen! Jetzt betrachte ich es selber schon als unnormal, wenn jemand mal diese unmenschliche norddeutsche Atmosphäre durchbricht. Jetzt wundere ich mich schon selber, von jemandem als Svende und nicht als «Freundin von...» wahrgenommen zu werden!
Und dann bin ich halt einfach mal zu ihm hingegangen: «Du, ich würd gern mal mit dir klönen. Ich weiß selbst nicht wieso. Kannst du mir mal deine Nummer geben?» Und dann hat er sie mir gegeben. War gar nicht erstaunt, daß ich ihn gefragt habe. Und jetzt sitze ich hier bei ihm und trinke mit ihm Kaffee. Was er mir von Arne erzählt, paßt so haargenau in alles das rein, was ich inzwischen über ihn weiß. Alle Leute haben die gleichen Schwierigkeiten mit Arne. Es war nicht mein Versagen, daß ich mit Arne nicht klargekommen bin. Ich beneide die Frau nicht mehr, die als nächste eine Beziehung zu Arne haben wird. Ich beneide sie weiß Gott nicht mehr.
Am Wochenende mache ich einen Wen-Do-Kursus. Selbstverteidigung für Frauen. Um endlich mal keine Angst mehr haben zu müssen. Um endlich wirksam zuschlagen zu können, wenn mich noch mal einer antatscht, von dem ich nicht angetatscht werden möchte. Wen-Do ist wirklich besser als die ganzen anderen Sachen, wo du erst mal stundenlang
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