Der Tod des Maerchenprinzen
hohen Stellenwert für ihn hat. Er hat mich warmgehalten. Auch in der Diskussion am Mittwoch wollte er sich immer nicht festlegen. Das Gespräch mit Sabine sollte unbedingt vor diesem sein. Warum, hat er nicht gesagt. Und dann seine Andeutung, es könnte sein, daß er Donnerstag bei Sabine schläft, ohne mir die Hintergründe zu erzählen. Wenn dieses Gespräch mit Brigitte wie ursprünglich geplant am Montag stattgefunden hätte, hätte er mich unter völlig falschen Voraussetzungen in das Gespräch gehen lassen. Als ich ihm das vorgeworfen habe, hat er gesagt: «Nee. Ich hätte dir das kurz vorher gesagt.»
Ich verabrede ein Gespräch über unsere Beziehung mit Brigitte. Arne weiß das. Legt sich bei mir hin und schläft. Und kurz vor dem Gespräch will er mir sagen, daß er vielleicht doch lieber mit seiner letzten Freundin wieder... Kurz vorher will er mir das sagen! Und erst legt er sich noch hin und schläft bei mir. Daß der überhaupt noch ruhig schlafen kann, nach dem, was er sich inzwischen alles geleistet hat.
Und dann, daß er sich bei mir nicht wäscht und dann diesen blöden Spruch bringt. Diese Unehrlichkeit in seinem Grinsen, das so tun soll, als wenn er sich ganz zufällig heute waschen will. Mensch, Typ, denk doch nicht, daß ich nicht weiß, für wen du dich duschst. Ich muß an Karin denken. Ihr Freund duscht sich auch nicht allzu oft. Aber immer, wenn er mal wieder ’ne Verabredung mit ’ner anderen Frau hat, dann ist plötzlich die Dusche naß. Karin lacht dann, wenn sie nach Hause kommt und die nasse Dusche sieht. Sie kennt das schon.
Und das schärfste war ja überhaupt, wie meine Wohnung aussah, als Arne am Donnerstag weg war. In zehn kleinen Häufchen hatte er seinen Dreck über alle Zimmer verteilt. Dreckige Wäsche, seine Turnschuhe, noch vom Fußballspielen, seine Tasche mit Schulsachen, hier ein Paar Strümpfe, da eine Jeans, und da noch eine drek-kige Unterhose. Bücher, Zettel und Zeitungen überall dazwischen. Seine Medikamente und eine ganze Dose mit Stiften... Meine Wohnung ist eine Gerümpelkammer. Die Sachen liegen auch nicht irgendwo am Rand. Nein. Mitten im Zimmer! Wo Arne seine Unterhose auszieht, da bleibt sie liegen.
Ich stolpere über seine Turnschuhe und fange an aufzuräumen. Typisch Mann!
Das alles habe ich auf meinem Zettel stehen. In Stichworten. Damit ich auch keine seiner Schweinereien vergesse. Heute kriegt er alles zu hören. Und dann fängt das Gespräch an. Ich mit einem Zettel im Hosenlatz. Gut vorbereitet. Und dann läuft alles ganz anders. Wir reden über die Sache mit dem Benutzen. Arne sieht das etwas anders. Er würde es nicht benutzen nennen. Aber wir sehen das so. Alle drei. Jan, Brigitte und ich. Wir nennen das benutzen. Finden das menschenverachtend. Mit jemandem ’ne Beziehung anzufangen, um Distanz zu einer anderen zu kriegen.
Arne ist hartnäckig. Er würde es nicht benutzen nennen. Er sieht das anders. Auch nachdem wir eine halbe Stunde auf ihn eingeredet haben, sieht er das immer noch anders. Aber er hört sich das mal an und will das überdenken.
Auch die anderen Sachen, die wir ihm sagen. Daß er nicht immer so lange mit seinen Sachen rumschleppen soll, bevor er sie mal äußert. Daß er nicht immer alles in seinem Kopf abmachen kann. Daß er auch unfertige Gedanken rauslassen muß. Besonders wenn sie andere mitbetreffen. Zum Beispiel die Frage, ob er in mich verknallt ¡st oder nicht. Daß er mit so was mal eher rausrücken muß. Arne hört sich das an.
Und dann komme ich noch mal auf die Sachen aus dem Mittwochsgespräch. Meine Vorliebe für Märchen. Sein Naivitätsvorwurf. Und Brigitte geht da auch ganz gut drauf ein. Fragt ihn, ob er nie von irgendwelchen Sachen träumt. Daß das nichts mit Realitätsflucht zu tun haben muß, wie er das immer gleich in die Ecke schieben will. Ich habe so was im Kopf, mit Märchen auch politische Gedanken ausdrücken zu können. Es als literarische Form für heute zu nutzen, weil die Klischees noch sehr gut in den Köpfen abrufbar sind. Und das ist nicht nur rückwärts gerichtet. Realitätsflucht.
Arne hört sich das an. Auch was Brigitte sagt. Endlich kriegt er das auch mal von jemand anders zu hören, daß das nicht nur naiv ist, was ich da im Kopf habe.
Als das Gespräch auf seine letzte Freundin kommt, hört man zwischen den Zeilen heraus, daß es wohl doch nichts geworden ist gestern. Aber nicht sehr deutlich. Jan fragt nach. Ich horche gespannt auf. Nein, sie wollte doch nicht wieder mit
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