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Der Tod des Maerchenprinzen

Der Tod des Maerchenprinzen

Titel: Der Tod des Maerchenprinzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Svende Merian
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aber mein Portemonnaie vergessen. Da die Leute sowieso erst spärlich einkleckern, beschließe ich, noch mal nach Hause zu fahren. Mein Strickzeug habe ich auch nicht mit.
    Als ich wiederkomme und in den Raum der Antifa-Gruppe reingehe, sitzt Arne da. Scheiße. Mich ärgert das, daß er eher hier ist als ich. Die Antifa-Plena sind nun schließlich mein Ressort. Ich habe schließlich Antifa-Arbeit gemacht. Nicht er. Er macht Anti-AKW-Arbeit. Da gehört er hin. Was will er hier?
    Kann er mich nicht wenigstens auf Antifa-Plena in Ruhe lassen? Dies hier ist mein politisches Zuhause, wo er dazukommen müßte. Und nun sitzt er eher hier als ich, obwohl ich vor ’ner Stunde schon hier war, und brabbelt auch noch am laufenden Band, während ich mal wieder den Mund nicht aufkriege. Er sitzt da und brabbelt und findet sich toll und für die Diskussion unentbehrlich. Im Hintergrund sitzt seine unscheinbare, farblose Ex-Freundin und sagt nichts.
    Von mehreren Leuten ernte ich freundliche Blicke, als ich mich in der Runde umgucke. Mann/frau kennt mich hier. Als seit längerem auf Antifa-Plena anwesende, stille Frau.
    Arne redet.

    Als Mittagspause ist, frage ich andere Leute, ob die Diskussion, bevor ich kam, besser war. Die Zeit, wo ich da war, war es eigentlich keine Diskussion, sondern ein Schlagabtausch von Argumenten. Ohne daß die Leute richtig aufeinander eingegangen sind.
    Nee, sagen die anderen mir. Es war die ganze Zeit so, und sie fanden’s auch beschissen.
    Der Verdacht, daß es die ganze Zeit so gelaufen ist, kam mir schon, als jemand das Diskussionsprotokoll vorgelesen hat. Da folgte nur ein Statement auf das andere und ein roter Faden, aber eine Entwicklung in der Diskussionsrunde war aus dem Protokoll nicht zu erkennen. Die anderen bestätigen mir meinen Verdacht.
    Nur Arne findet das nicht. Er findet, daß es ’ne Diskussion war. Ich sage, es war nur ein Schlagabtausch von Argumenten. Es wundert mich schon nicht mehr, daß er es nicht gemerkt hat. Schließlich ist das seine Art zu diskutieren, wie ich sie oft genug bei ihm erlebt habe. Hauptsache, er hat seine Position dargestellt. Ob man aufein ander eingeht ist nicht so wichtig. Ob andere einen verstanden haben, auch nicht. Er merkt gar nicht, daß aus der Diskussion außer einem schon vorher vorhandenen Minimalkonsens nichts rausgekommen ist.
    Man ist sich einig, daß Strauß schlimmer ist als Schmidt. Daß man im Wahlkampf klarmachen muß, daß Strauß ein Faschist ist. Und man ist sich einig, daß man über der Anti-Strauß-Kampagne nicht vergessen darf, daß für die verschärfte Repression der letzten Jahre eine SPD-Regierung verantwortlich ist. Und daß die Strauß-Kandidatur das Image der SPD wieder aufpoliert und wir dagegen auch kämpfen müssen. Das sind aber alles Sachen, über die man sich schon vor diesem historischen Sonntagmorgen einig war. Die wirklichen Kontroversen innerhalb der Linken sind gar nicht klar rausgearbeitet worden. Sie schwellten vielleicht untergründig mit, aber mehr auch nicht. Diese Diskussion hat nicht eben viel zur Klarheit beigetragen.
    Beim Mittagessen setzt sich Arne neben mich. Ich erzähle ihm, daß die Diskussion gestern eine Farce war und daß eine Abstimmung mit den Füßen stattgefunden hat. Daß ich hoffe, daß es heute nachmittag im Plenum besser wird als gestern im Plenum und heute morgen in der Arbeitsgruppe.
    Und das wird es denn auch tatsächlich. Als es um die Anti-Strauß-Kampagne geht, geht Arne auch ein paarmal ans Mikro und erzählt den gleichen Scheiß, den er mir seit Wochen zu Hause erzählt. Prophezeit der Anti-Strauß-Kampagne ihren Mißerfolg, den sie seiner Ansicht nach schon im Keime mit sich trägt. Leitet diesen Mißerfolg nicht etwa aus einer falschen politischen Art und Weise her, sondern aus der Kampagne als solche. Wenn’s nach Arne geht, dann ist es nicht so, daß wir aufpassen müssen, in der Anti-Strauß-Kampagne keine Fehler zu machen. Sondern dann ist die Anti-Strauß-Kampagne an sich schon der Fehler. Ich finde seine Argumente nach wie vor verwirrend und uneinsichtig, ob ich sie nun zu Hause am Frühstückstisch höre oder hier durchs Mikro. Aber ich kann sie nach wie vor nicht widerlegen. Mir ist es genauso unklar wie am Frühstückstisch, womit er mich eigentlich so durch ’n Tütel bringt. Und weshalb ich hinterher immer noch nicht mal wiedergeben kann, worin unsere Kontroverse eigentlich besteht.
    Dabei bin ich doch nicht blöd, Mann! Das muß auch an ihm liegen.
    Sein

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