Der Tod des Maerchenprinzen
Dieser Scheißkerl. Wieso nimmt sie auf ihn Rücksicht? Die hat er nicht verdient.
Wieder ein Zeichen dafür, daß Sabine mit ihm fertig ist und ich nicht. Sie kann von einer «höheren Warte» aus handeln. Kann Mitleid mit ihm haben. Ich bin noch viel zu sehr von ihm verletzt, als daß ich mein Mitleid, wenn er heulen muß, über meine Wut auf ihn stellen könnte. Ich würde ihn hassen, wenn er heult.
Als ich später mit Lothar am Abendbrottisch sitze, labere ich den armen Mann damit voll, wann Arne wohl anruft. Woher soll Lothar das denn wissen? Ich kann nichts essen. Warum ruft Arne nicht an? Vor einer Woche war der Umzug. Hat er mich versetzt? Und jetzt ruft das Schwein eine Woche lang nicht an. Hat es nicht einmal nötig, sich zu entschuldigen.
Ich kann ihn ja nicht erreichen. Was soll ich machen? Wieder alle Telefonnummern aus seiner BI durchtelefonieren? Nach Altona fahren? Aber ich kann da doch nicht einfach aufkreuzen und Arne suchen. Dann kriegen ja alle mit, daß ich hinter ihm her bin. Ich kann ihm doch nicht so offensichtlich nachlaufen. Das geht doch nicht. Was denken denn die Leute!
Ich sitze zu Hause und werde verrückt. Kann überhaupt nichts mit mir anfangen. Ich wollte doch mit ihm fertig sein. Und jetzt sehne ich mich schon wieder danach, daß er anruft. Dieses Schwein schafft es jedesmal, daß ich wieder umkippe. Jedesmal! Ich denke: Nun bin ich aber endgültig mit ihm fertig! Und dann meldet er sich wieder so lange nicht, daß ich vor Sehnsucht fast zerflossen bin, Wenn das Telefon dann endlich klingelt.
Das Telefon klingelt.
«Hier ist Arne.»
«Ja», sage ich nur.
«Oh, den hat man aber richtig gehört. Den Stein, der dir da eben vom Herzen gefallen ist.»
Dieses Schwein. Dieses Schwein. Jetzt kriegt er auch noch mit, wieviel er mir bedeutet. Ich will nicht, daß er das mitkriegt. Der soll nicht denken, ich will noch was von ihm.
Wir verabreden uns für den nächsten Abend. Als wir aufgelegt haben, springe ich wie ein junges Reh durch die Wohnung. Er kommt morgen. Er kommt morgen.
Als ich schlafen gehe, lege ich den anderen noch einen riesigen Zettel auf den Tisch: «Er hat freiwillig angerufen. Und kommt morgen abend.» Male Blumen und Herzchen daneben. Er kommt morgen.
Ich werde ihm auch endlich mal alles vorknallen. Ihm seine ganzen Widersprüchlichkeiten aufzeigen. Auch, daß er mir die Sachen, die zwischen ihm und Sabine in den letzten Wochen vorgefallen sind, immer ganz anders darstellt als sie. Daß er immer Sachen wegläßt. Sabine erzählt mir alles viel zusammenhängender. Er läßt immer die kleinen Feinheiten aus.
Arne fängt an, von dem Gespräch zu erzählen. Daß wohl einiges dran ist, an dem, was Sabine gesagt hat. Aber einiges hält er für Spekulationen. Reine Spekulationen. Zum Beispiel die Sache mit dem Duschen. «Du wirst mich noch sehr oft gewaschen, und du wirst mich noch sehr oft ungewaschen erleben. Das hatte mit Sabine nichts zu tun. So was nenn ich Spekulationen. Reine Spekulationen.»
Und als ich nachfrage, was er denn noch mit Sabine diskutiert hat, sagt er: «Die Diskussion war gut. Sehr gut. Aber ich werd nicht alles, was ich mit Sabine bespreche, dir erzählen.»
Das ist ja wieder die gleiche Masche, die er vorher schon drauf hatte. Mir erzählt er immer, daß sein Verhältnis zu Sabine «gut, sehr gut» sei. Und Sabine ist genervt, wenn sie den Namen Arne nur hört. Ein sehr einseitiges «gutes Verhältnis»! Und jetzt wieder das gleiche. Er erzählt mir, daß die Diskussion mit Sabine sehr gut war. Und daß er mir nicht alles erzählt. Mit anderen Worten: daß er mit Sabine Geheimnisse hat.
Das Pech für ihn ist nur, daß Sabine mit ihm keine Geheimnisse hat. Daß sie mir gesagt hat, es war gar keine «Diskussion». Geschweige denn war sie «gut». Er ist gar nicht zu Wort gekommen.
Eigentlich etwas unverständlich, daß ausgerechnet Arne eine Diskussion gut findet, in der er nicht zu Wort kommt!
Ich sage ihm, daß Sabine ihr Verhältnis zu ihm gar nicht so «gut» darstellt wie er. «Das kann ich mir denken», meint Arne ganz cool. Ihn verunsichert das überhaupt nicht. Und auch als ich ihm sage, daß ich die letzten Wochen jeden zweiten Tag mit Sabine telefoniert habe. Und sie mir sowieso alles aus dem Gespräch erzählt hat, scheint ihn das nicht zu kratzen. «Ja. Wieso? Könnt ihr doch machen. Hab ich nichts gegen.» Arne ist durch nichts zu verunsichern. Durch nichts.
Es macht mich rasend. Da hab ich ihm nun heute abend seine ganzen
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