Der Tod des Maerchenprinzen
wahrscheinlich ist es für ihn wirklich so. Wenn was mit Frauen losgeht, dann ist Arne der Macher. Das war bei uns am Anfang ja auch so. In einer Situation, wo ich mich absolut noch nicht getraut hätte, hat er die Initiative ergriffen. Er hat den Anfang gemacht. Und er hat es auch mal direkt gesagt, daß er keine Schwierigkeiten hat damit. Ich werde wütend. Ein Mann nimmt sich Frauen. Er nimmt sie sich. Wenn ich was von jemanndem will, dann überlege ich mir erst mal wochenlang, ob er vielleicht auch möchte...? Ob und in welcher Form ich etwas «machen» könnte. Arne nicht. Arne hat «gemacht», als wir uns zwei Stunden kannten. Zu einem Zeitpunkt, als ich mich noch lange nicht getraut hätte. Er war sehr vorsichtig bei seinem ersten Annäherungsversuch. Er hat mich nur ganz leicht umarmt. Ich war es, die dann ganz eng an ihn herangerückt ist. Arne würde nie zu aufdringlich werden, wenn er merkt, daß eine Frau nicht mit ihm schmusen möchte. Da bin ich mir sicher. Aber darum geht es mir nicht. Es geht darum, daß er es schafft, das erste eindeutige «Bündnisangebot» zu machen. Er wagt den ersten körperlichen Schritt. Er hat nicht solche Angst, einen Korb zu kriegen wie ich. Angst hat er vielleicht auch. Aber er schafft es, sie zu überwinden und seine männliche Rolle wahrzunehmen. Er ergreift die Initiative. — Ich weiß, daß Männer unter diesem Druck, aktiv sein zu müssen, auch ganz schön leiden können. Das weiß ich. — Aber sie können sich wenigstens leichter dazu durchringen, den ersten Schritt zu machen. Ich habe es da viel schwerer. Ich muß gegen die normalen Ablehnungsängste und meine Erziehung ankämpfen! Arne hat gemerkt, daß er da lieber nichts machen sollte. Ich bin wütend. Arne kann da gar nichts für. Ich finde es ja eigentlich erstrebenswert, daß sowohl Frauen als auch Männer ihre Sympathien angstfrei zeigen können. Was mich ärgert, ist, daß Arne sich nicht damit auseinandersetzt, daß das für Frauen schwerer ist. Obwohl ich das Thema ein paarmal angeschnitten habe. Ich bin wütend. Weil aus seinem «Redebeitrag» nämlich noch mehr hervorgeht. Er kann sich bei jeder Frau, die er ganz gerne mag, überlegen, ob er da was macht oder nicht. Weitere Probleme bringt das für ihn nicht mit sich. Ich müßte da erst noch tausend andere Sachen mit im Kopf haben. Was kann ich tun, wenn der Typ nicht auf mich eingeht? Wenn der die übliche verkorkste Männersexualität draufhat, in der ich als Frau nicht vorkomme, sondern nur als weiblicher Körper. Was mach ich dann? Wie kann ich den «männlichen Trieb» bremsen? Wie reagiere ich, wenn der anfängt, über mich hinwegzuvögeln?
Alles Gedanken, die Arne sich nicht zu machen braucht. Er kann ohne diese Ängste mit jeder Frau ins Bett gehen, die er gerne mag. Ich kann das nicht. Die Männer, die über mich hinweggerammelt haben, mochte ich auch alle gerne. Das waren nicht alles totale Ekel und Frauenfeinde. Es war denen nicht auf den ersten Blick anzusehen. Ich habe das immer erst gemerkt, wenn’s schon zu spät war. Es gehört viel Mut dazu, dann noch «Absteigen» zu sagen. Mut, den ich jahrelang nicht hatte. Ich weiß nicht, ob ich ihn heute hätte. Ich weiß es nicht. Ich hoffe es. Aber die Angst ist auf jeden Fall da. Ich sehe es keinem Softi auf den ersten Blick an, ob ihn im Bett vielleicht der «männliche Trieb» alle Frauenfreundlichkeit wieder vergessen läßt. Vielleicht bin ich blind, aber ich sehe so was wirklich nicht vorher. Ich habe Männer erlebt, die auf den ersten Blick schwach und beschützenswert wirkten. Weich und unmännlich. Aber dann eine total objekthafte Männersexualität draufhatten. Ein Softi ist ein Chauvi, der Kreide gefressen hat, nichts anderes. Ich weiß nicht, auf welche Verhaltensweisen ich achten soll, bevor ich mit jemannden ins Bett gehe. Absolut unmännliche Softis können im Bett plötzlich zum Totalmacker werden, und so ein harter Politmacker wie Arne entpuppt sich als unheimlich weich und zärtlich.
Ich habe Angst. Ich habe jedesmal Angst, bevor ich mit einem Mann ins Bett gehe. Auch wenn ich selber gerne möchte. Ich habe Angst. Ich kann nicht so angstfrei wie Arne mit jedem Mann ins Bett gehen, den ich gerne mag.
Wir unterhalten uns noch über Gott und die Welt. Aber ich bin ziemlich geschafft von den letzten drei Wochen Renovieren, und wir gehen früh ins Bett.
Arne nimmt wieder meine Hand. Wieder der gleiche bedeutungsschwangere Blick. Das Schweigen vorher. Und dann seine Frage:
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