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Der Tod des Maerchenprinzen

Der Tod des Maerchenprinzen

Titel: Der Tod des Maerchenprinzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Svende Merian
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plötzlich... ich möchte einfach zu ihm rüberkriechen... unter seine Bettdecke... einfach so... ganz einfach und unkompliziert fast... fast...
    Fast habe ich den Mut dazu... den Mut, die Zärtlichkeit aus mir herausbrechen zu lassen, die sich seit zwei Monaten in mir angestaut hat... nur wenige Zentimeter, die ich zurücklegen müßte... und ich könnte meine Finger sanft auf seinem Gesicht spielen lassen.
    Könnte... wenn ich den Mut dazu hätte. Aber ich habe ihn nur fast... zuviel Ängste... zuviel Fremdheit in den letzten Wochen, die diese wenigen Zentimeter unüberwindbar machen... auch wenn er mir wieder viel näher ist... wie er meine Hand streichelt...

    Irgendwann schläft Arne ein. Ich liege wach. Liege wach mit meinem «fast Mut». Warum habe ich es nicht geschafft eben? Warum bin ich nicht einfach zu ihm rübergerutscht? Jetzt ist wieder alles Zu spät. Eben hätte ich es noch fast gekonnt. Morgen wird es wieder nicht mehr gehen. Wann wird wieder so ein Moment sein, wo er mir so nahe ist wie eben? Warum habe ich diesen Moment so verstreichen lassen? Diesen Moment, auf den ich seit zwei Monaten warte. Warum? Grausame Wachheit. Unruhe. Spannung.
    Und er schläft. Noch nie hab ich Typen wecken können. Noch nicht mal, wenn ich nicht schlafen konnte, weil sie auf meinem Arm lagen. Oder sich diagonal über das ganze Bett ausgebreitet hatten, so daß ich ihretwegen nicht schlafen konnte. Immer diese Scheiße im Kopf: Du kannst ihm doch nicht seinen Schlaf rauben. Daß frau ihren Schlaf opfert ist ja so klar! Jahrelang diese Anpassung. Heute nacht werde ich sie durchbrechen!!!!!
    Es ist mir plötzlich ganz klar. Ich werde ihn wecken! Er ist die Ursache für mein Nicht-schlafen-Können. Es ist mein Recht, ihn zu wecken. Ich werde nicht alleine weiterleiden. Weiblich. Still und passiv. Mir vornehmen, morgen mit ihm zu reden. Nein. Wieso denn morgen? Und was ist jetzt mit mir? Soll ich weiter allein wach sein? Nein! Ich werde ihn wecken!
    Genauso klar ist mir aber auch, daß ich dafür noch eine Weile brauche. Mich mit diesem Gedanken vertraut machen muß, bis ich mich auch sicher fühle, wie ich es machen will. Ganz überzeugt von meinem eigenen Handeln. Keine Entschuldigung auf den Lippen. Einfach fordern, daß er aufwacht.

    Wie bei Behördentelefonaten oder anderen Sachen, vor denen ich Angst hab. Da nehm ich mir auch immer ’ne Weile Zeit, ums Telefon rumzuschleichen, zögere es raus, bis ich mich seelisch lange genug drauf eingestellt hab. Die wissen ja nicht, daß ich hier sitze und auf mich selber warte. Ich habe ja Zeit. Die kriegen mich ja erst in dem Moment mit, wo ich mich mit ganz sicherer Stimme melde.
    Arne auch. Der liegt da ja und schläft und weiß nicht, daß ich hier liege und mich seelisch auf einen Frontalangriff auf ihn vorbereite.
    Jetzt. Ich bin soweit. Warum hat der doofe Kerl sich denn das Kissen so über ’n Kopf gezogen? Jetzt muß ich mir erst ausrechnen, wo sein blöder Kopf nun ist unter diesem Scheißkissen. Nachher patsch ich ihm total ungeschickt ins Auge oder so und alle Romantik ist versaut.
    Unerwartet dreht er sich um. Das Licht der Straßenlaterne reicht, um zu sehen, daß er die Augen geöffnet hat. Er sieht mich an. «Bist du wach?»
    «Nein», sagt er.
    «Doch, du bist wach! Und ich will auch, daß du wach bist.»
    Endlich hört mein Scheißkopf auf, mich mit Berührungsängsten zu blockieren. Ich nehm den Zipfel seiner Bettdecke hoch und krieche mit darunter. Kuschel mich an ihn an. Beuge mich über ihn. Streichel seine Schulter. Bedaure es, daß ich so ungeschickt, wie ich daliege, ihn nur an der Schulter streicheln kann. Möchte sein Gesicht streicheln. Lege verzweifelt all die Zärtlichkeit, die ich nicht länget zurückhalten kann, in das Streicheln dieser paar Quadratkilometer Haut.
    «Kannst du nicht schlafen?» fragt er.
    «Nein.»
    «Und weil du nicht schlafen kannst, soll ich auch wach sein?»
    (Nein, Arne. Ich möchte dir jetzt sagen, daß ich mit dir schlafen will. Aber meine Lippen sind wie zugenagelt. Außerdem kann ich doch nicht sagen, daß ich mit ihm schlafen will. Höchstens daß ich möchte. Wie hört sich denn das an. Wollen! Ich will doch, daß er auch will. Ich will doch nicht gegen seinen Willen.) Minutenlanges Schweigen. Ich genieße diese Minuten. Genieße es, seinen Körper zu spüren, seine Haut. Und seine Wärme. Ich höre mich schon sprechen, aber immer noch kommt kein Wort über meine Lippen. Sehe im Halbdunkel sein Gesicht, das ich mit

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