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Der Tod des Maerchenprinzen

Der Tod des Maerchenprinzen

Titel: Der Tod des Maerchenprinzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Svende Merian
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Lautsprecher-Box besteht, anzuschließen. Es funktioniert nicht. Irgendwo ist ein Wackelkontakt.
    Ich hab’s auch schon versucht. Ohne Erfolg.
    Ich war schon im Bad. Komme noch mal zurück, um ihm was am Plattenspieler zu zeigen. Setze mich nackt auf den Fußboden. Stelle fest, daß Arne meine Nacktheit mit einem Seitenblick registriert. Früher hätte ich... hätte ich in einer solchen Situation fein säuberlich alle «anzüglichen» Stellen meines Körpers bedeckt, um «ihn» nicht aufzureizen. Oder den Eindruck zu erwecken, daß ich ihn aufreizen wolle. Weil der nackte Frauenkörper als solcher ja schon die Sünde verkörpert. Weil der nackte Körper einer Frau von vornherein mit Sexualität identifiziert wird. Ideologie, die sich auch in meinem Kopf festgefressen hat. Logisch... kommt frau doch auch täglich an — zig dieser Zeitungskioske vorbei, an denen Busen, Beine und nackte Frauenärsche ab 1,50 DM zu haben sind.
    Aber ich kann doch nichts dafür! Ich habe nun mal Busen, Beine und noch einiges andere. Und ich bin nun mal nackt, wenn ich gerade in die Badewanne will. Ist der weibliche Körper so vermarktet, daß ich meinen eigenen peinlich verstecken muß, um nicht den Eindruck zu erwecken, ich wolle «ihn» aufreizen? «Ihn», dem ich mich heute nacht bereits «angeboten» habe. Und dann nach gängigen Klischeevorstellungen wenigstens jetzt erwarte, daß er mit Heißhunger über mich herfällt. Und es als erneutes «Verschmähen» betrachte, wenn er das nicht tut.
    Genauso habe ich mich Gerd gegenüber immer gefühlt. Deshalb habe ich peinlich jeden Quadratzentimeter Haut vor ihm versteckt. Damit er ja nicht auf die Idee kommt, ich wolle ihn auf diese plumpe Art und Weise anmachen. Ein paar Jahre ist das erst her. Und heute kann ich mit Arne zusammen aufstehen und empfinde das alles nicht mehr so. Habe nicht mehr das Gefühl, mich dafür entschuldigen zu müssen, daß ich einen weiblichen Körper habe.
    Als wir in der Küche Brot abschneiden und Tee kochen, frage ich ihn, ob er in der taz und im AK eigentlich die Artikel zur Verteidigung von Vergewaltigern gelesen hat. Arne schwingt den Holzhammer. «Ich hab da ’ne etwas andere Position zu. Ich find schon, daß man einen Vergewaltigerer verteidigen kann, wenn dadurch abzusehen ist, daß der das nicht wieder macht. Ich hab mich da auch neulich mit ’ner Frau drüber unterhalten.»
    Ja — na und? Daß er sich da mit ’ner Frau drüber unterhalten hat, ist noch lange keine Legitimation dafür, daß er sich damit nicht weiter auseinanderzusetzen braucht. Er hat ja noch nicht mal gesagt, was er eigentlich mit der Frau diskutiert hat. Daß er sich einmal mit ’ner Frau darüber unterhalten hat, reicht für ihn als Legitimation, mir mal wieder seine Position vor die Füße zu kotzen.
    Arne fragt nicht, was ich für eine Position dazu habe. Ich sage nichts. Warte ab... es kommt nichts.
    Arne hat mir seine «Position» entgegengeholzt. Für ihn ist die Sache so in Ordnung. Arne fragt nicht, was ich dazu meine. Arne ist sein Statement los. Er hat ja neulich schon mit ’ner Frau darüber diskutiert. Was interessiert ihn da noch meine Meinung.
    Nach dem Frühstück geht Arne. Ohne zu arbeiten. Plötzlich war nichts mehr mit Arbeiten, obwohl er davon gestern abend scheinbar die Entscheidung abhängig gemacht hat, hier zu schlafen oder nicht.
    Als er seine Federjacke anhat und schon halb aus der Tür ist, umarmt er mich zum Abschied. Nicht flüchtig, sondern ganz lange. Auch als das Telefon genau neben uns zu bimmeln anfängt, lösen wir uns nicht aus dieser Umarmung. Lassen die anderen rangehen.
    Ich kann ihn gar nicht richtig umarmen, weil er seine schwere Lederjacke anhat. Habe vielmehr das Gefühl, seine Lederjacke zu umarmen. Sein Körper kommt irgendwie gar nicht bei mir an. Aber was bei mir ankommt ist seine Umarmung. Wieso umarmt er mich so lange? Und so ruhig. — Da muß doch irgendwas sein. Der muß mich doch irgendwie sehr gerne mögen. Sonst würde er mich doch nicht so umarmen!
    Ich bin ganz stolz auf mich, daß ich endlich mein Schweigen gebrochen habe. Mich endlich getraut habe zu sagen, was ich seit Wochen als stille Sehnsucht mit mir rumschleppe. Und ich werde noch mehr sagen. Ich will endlich Offenheit in unsere Beziehung bringen. Wenn ich Mittwoch abend Sabine besuche, werde ich bei ihm vorbeigehen. Er ist ja jetzt umgezogen. Hat endlich eine eigene Wohnung. Ich weiß endlich auch mal, wo ich ihn erreichen kann. Ich geh da einfach hin.

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