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Der Tod des Teemeisters

Der Tod des Teemeisters

Titel: Der Tod des Teemeisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasoushi Inoue
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verstorbenen Jukō glich dem Schnee auf den Bergen.«
    Und: »Sōekis Zeremonie war wie ein Baum im Frühwinter.«
    Ich glaube nicht, daß Bruder Sōji, als er diese Zeilen schrieb, auch nur im Traum ahnte, daß der Tod unseres Meisters schon so nah war. »Wie ein Baum im Frühwinter« – genauso mußte Meister Rikyū den Tod empfangen.
    Als ich Sōjis Nachwort in Angriff nahm, regnete es, und der Tag ging bereits zur Neige, so daß ich bei Kerzenlicht schrieb.
    »Ich schreibe ohne jeden Vorbehalt nieder, worum Ihr mich vor meiner Abreise in die Hauptstadt in einem mit Blut versiegelten Brief gebeten habt. Seid bedankt für Euren Schutz, den Ihr mir Stellungslosem in der Burg Odawara angedeihen ließet. Ich habe den größten Teil dessen niedergeschrieben, was ich in den vergangenen zwanzig Jahren gelernt habe. Bleibt bis in alle Zeit dem Wabisha, dem Stil der schlichten Strenge, treu. Dies Manuskript diene Euch, meinem geliebten Schüler, wenn ich in Kyōto bin oder nach meinem Tod. Hiermit beurkunde ich Eure Reife.« Es folgten das Datum – zweiter Monat, siebzehntes Jahr Tenshō 17 – und Sōjis Unterschrift und Siegel. Gewidmet war es Kōsetsusai.
    Ich legte den Pinsel nieder, denn ich war am Ende meiner mehrtägigen Kopierarbeit angelangt.
    Herrn Kōsetsusai zufolge weist eine Stelle im Manuskript darauf hin, daß Sōji sein künftiges Schicksal vorausahnte. Gewiß meint er den Satz im Postskriptum »wenn ich in Kyōto bin oder nach meinem Tod«, der zumindest stutzen läßt. Unter den im Anschluß hinzugefügten Dutzenden von chinesischen Gedichten entdeckte ich eines, das herausfällt.
    Es stammt von dem Mönch Jichin:
    Das Weltgesetz verletzen will ich nicht,
    und wenn dies doch geschieht,
    so mußte ich es tun,
    auf meinem Weg über die Brücke des Lebens.
    Dann weiter:
    »Bruder Jichin hat dieses Gedicht immer wieder zitiert. Es ist ein bedauerlicher Zustand, daß wir alle, von Sōeki angefangen, aber auch Jichin und ich, mit der Teezeremonie unseren Lebensunterhalt verdienen müssen«, schreibt Sōji voller Empörung im sechzehnten Jahr Tenshō 18 . Es sind unerhörte Worte für mich, und sie gelten auch für Meister Rikyū .
    Am Ende angekommen, hatte ich das Gefühl, unversehens aus der edlen Welt des Tees in den schnöden und schwierigen Alltag zurückgeschleudert zu werden. Eigentlich drängte es mich, über all das nachzudenken, aber ich beschloß, es zu verschieben und schlafen zu gehen.
    Zehnter Tag, dritter Monat
    Schönes Wetter
    Heute nachmittag machte ich mich zum Daitokuya auf, um Herrn Kōsetsusai zu sehen, kam jedoch eine Stunde zu früh dort an. Eigentlich hätte ich ihn in seiner Residenz in Fushimi aufsuchen sollen, um ihm das Manuskript von Sōji zurückzugeben, aber wir hatten dann doch beschlossen, uns im Daitokuya zu treffen und dort zusammen Tee zu trinken. Ich weiß nicht, ob dies Herrn Kōsetsusais ursprünglichem Wunsch entsprach oder auf einen Vorschlag des Inhabers zurückging, der eine starke Neigung für die Teezeremonie hegt.
    In dem drei Tatami großen Teezimmer war alles für Gäste vorbereitet. Eine Kalligraphie von Ehrwürden Kōkei hing an der Wand, an einem Eckpfeiler stand eine Vase aus Shigaraki namens »Uzukumaru« – die Kauernde – mit einer noch blühenden Kamelie. Der Inhaber vom Daitokuya hatte mich wegen der Teeschalen um Rat gebeten, und ich hatte ihm moderne rote Schalen empfohlen.
    Bei offiziellen Teegesellschaften bittet er mich stets um Hilfe, aber diesmal war ich nur zu Gast.
    Herr Kōsetsusai traf kurz vor der verabredeten Stunde ein und wurde sogleich an seinen Platz geleitet. Nachdem unser Gastgeber uns Tee bereitet hatte, folgte eine Mahlzeit aus gegrilltem Lachs, einer Suppe mit Sojabohnenpaste, einer Suppe von Meerbrasse, gekochten Algen, Reis und Süßkartoffelküchlein.
    Da die Zeremonie anläßlich meiner Zusammenkunft mit Herrn Kōsetsusai stattfand, sprach unser Gastgeber weder beim Tee noch beim Essen ein Wort. Nach einer Weile kam das Gespräch wie von selbst auf Yamanoue Sōjis Abhandlung.
    Zuerst gab ich sie Herrn Kōsetsusai zurück und erzählte ihm, daß ich sie abgeschrieben habe.
    »Ich glaube, es hätte Herrn Sōji gefallen, Euch von Nutzen sein zu können. Vor allem würde ich nun gern wissen, was Ihr von seinen Ausführungen haltet, nachdem Ihr sie kopiert habt?«
    »Ich habe viel daraus gelernt. Und es beschämt mich, daß ich in den zehn Jahren, in denen ich Meister Rikyū gedient habe, selbst nichts aufgezeichnet habe. Bruder

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