Der Tod des Teemeisters
fertiggestellt. Nun werde ich das Geschriebene noch einmal durchlesen.
»Diese Aufzeichnungen sind dem Weg der Kennerschaft gewidmet und stützen sich auf die Antworten, die Jukō von Nōami erhielt und an Sōji weitergab. Und er an seinen Nachfolger. Jōō hat den Stil dann verändert und vervollkommnet. Er ist Begründer unseres gegenwärtigen Stils.«
Soweit die Vorbemerkung, die ich ausgezeichnet finde, da sie in nicht mehr als vier oder fünf Zeilen die Auflistung Jukō s kommentiert.
Darauf stellt sich der Autor Sōji kurz selbst vor: »Dreißig Jahre nach dem Ableben Jōō s ist Meister Sōeki, wie Rikyū auch genannt wird, unser größter Lehrer. Ich, Sōji, habe zwanzig Jahre lang in seinem Sinne gewirkt und bisweilen heimlich notiert, was ich von ihm hörte. Bei der Erstellung von Jukō s Liste habe ich mich jedoch nicht allein dieser Aufzeichnungen bedient, sondern auch eigene Gedanken hinzugefügt, da ich alles so vollständig wie möglich bekunden möchte.«
Er beginnt mit einer Vorstellung von berühmten Gerätschaften für die Teezeremonie. Zuerst kommen die Namenvon Tsubo, den Töpfen, in denen Teeblätter aufbewahrt werden: Mikazuki, Matsushima, Shijukoku-ontsubo, Matsuhana, Sutego, Nadeshiko, Sawahime, Kisakata, Jikō, Hyogotsubo, Yaotsubo, Hashidate, Kokonoe, Yaezakura, Torasaru, Shirakumo, Susono, Sōgetsu, Shigure, Jōrintsubo, Chigusa, Miyama.
Jeder einzelne von ihnen hat eine Geschichte, die mit seinem Namen und seiner Herkunft verbunden ist. Allein das Abschreiben dieser Namen versetzte mich in die Welt des Tees zurück, und ich geriet in einen seltsamen Zustand der Erregung.
Der Topf »Hashidate« hatte einst meinem Meister gehört, aber ich wußte nicht, was nach dessen Tod daraus geworden war. Immerhin hatte ich das Gefühl, einen alten Bekannten zu treffen. »Faßt sieben Kin 15 , hervorragende Glasur und Form. Im Besitz von Sōeki. Da dieser berühmte Meister ihn verwendet, müssen seine Vorzüge nicht weiter beschrieben werden. Einer Legende zufolge stammt dieser Topf aus Tango, dennoch geht seine Qualität weit über eine ländliche Herstellung hinaus. Der Name Hashidate bezieht sich auf die bekannte Sehenswürdigkeit. Einer anderen Legende zufolge hat Fürst Higashiyama, als er ihn erwarb, ohne das beigefügte Zertifikat zu beachten, das berühmte alte Gedicht von der Brücke zum Himmel ›Ama no hashidate‹ zitiert, wonach der Topf seinen Namen erhielt.«
Voll Wehmut dachte ich daran, daß ich diese Geschichten einst von meinem Meister gehört habe.
All diese berühmten Töpfe haben ebenso wie wir Menschen ein persönliches Schicksal. Einige wechselten die Besitzer, andere blieben in einer Hand. Manch einer istverschwunden, teilte das Los seines Besitzers und starb. So sind Mikatsuki – der Dreitagemond – und Matsushima – die Kieferninsel – bei einem Brand zur Zeit Oda Nobunagas verloren gegangen. Yaezakura – die achtfache Kirschblüte –, der Akechi Mitsuhide gehört hatte, war nach dem Tod seines Besitzers in Sakamoto verbrannt.
Natürlich sind solche Schicksale nicht auf die Töpfe beschränkt. Auf Jukō s Liste stehen auch zahlreiche Teeschalen, angefangen mit Matsumoto und Insetsu, von denen eine nach der tödlichen Niederlage ihres Besitzers Miyoshi Jikkyu ebenfalls in einem Brand zerstört wurde. Ein Räuchergefäß von Hasumi, ein Teespatel von Jutoku, eine zylindrische Bizen-Vase von Jōō – sie alle wurden im Krieg ein Raub der Flammen. Der Kessel Hiragumo – große Wolke – verschwand zur Zeit Matsunaga Hisahides.
Beim Abschreiben berührte es mich sehr stark, wie Menschen und Kunstwerke in schweren Zeiten leiden.
Auf der Liste stehen auch zahlreiche Räuchergefäße, alle sorgfältig mit ihrem Namen aufgeführt: Tōdaiji – aus dem Holz der Aloe, das allerorts für seinen einzigartigen Duft bekannt ist –, dann Taishi, Shōyō, Miyoshino, Nakagawa, Koboku, Kōjin, Hanatachibana, Yatsuhashi, Hokkekyō, Enjōji, Omokage, Hotokenoza, Juzu und so fort.
Es folgen die besten Kalligraphien von Kidō und Kango, von denen ich schon mehrere gesehen habe. Danach sind noch zahlreiche andere aufgeführt.
Heute habe ich den dritten Tag seit dem frühen Morgen am Schreibtisch verbracht. Doch bei Einbruch der Dämmerung vollendete ich den letzten Teil von Jukō s Katalog,der mit den Vasen schließt. Ich erhob mich und ging hinaus in den Garten hinter der Klause. Die Kirschblüten sind schon fast erblüht. Ich weiß gar nicht, wann sie aufgebrochen sind.
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