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Der Tod des Teemeisters

Der Tod des Teemeisters

Titel: Der Tod des Teemeisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasoushi Inoue
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Lachen gebracht?
    Nach einem späten Abendessen setzte ich mich wieder ans Feuer. Das Gespräch mit Herrn Uraku ging mir nicht aus dem Sinn, vor allem nicht die Äußerung, Herr Oribe habe stets den Tod gesucht. Es mag sein, daß Uraku recht hat. Herr Oribe habe »sich keiner Strafe unterzogen«, sondern »sich geopfert«, sagte er. Auch damit hat er wahrscheinlich recht.
    Dabei will ich es belassen.
    »Sōji starb durch sein eigenes Schwert, Rikyū und Oribe auch. Alle Teemeister begehen Selbstmord. Aber ich werde das nicht tun. Und dennoch Teemeister sein«, hat Herr Uraku gesagt. Wie meinte er das? Hat er Rikyū, Sōji und Oribe für ihren Freitod gelobt oder getadelt?
    Ich erhob mich von meinem Platz am Feuer und entzündete im Altarzimmer eine Kerze. Auf dem Altar sind die schwarze Teeschale, die ich von meinem Meister bekommen habe, und ein Tuch, das Herr Oribe bei der Teezeremonie verwendete. Ich habe es nach seinem Tod von jemandem aus Kyōto erhalten. Daneben liegt meine Abschrift von Yamanoue Sōjis Aufzeichnungen.
    Herr Uraku behauptet, Yamanoue Sōji habe ebenfalls Selbstmord durch das Schwert verübt. Wenn das wahrist, haben alle drei Männer, denen dieser Altar geweiht ist, sich selbst getötet.
    Wieder am Feuer sitzend, schenkte ich mir noch eine Schale Sake ein. Ich bin kein Trinker und schon gar kein Sakekenner, aber der Wein beruhigte mich nach und nach.
    Ich versuchte meinen Meister zu beschwören, aber es kam keine Antwort. Herr Oribe! Auch von ihm keine Reaktion. Dann rief ich zum ersten Mal Herrn Sōji an, doch auch er schwieg. Vielleicht kam kein Gespräch zustande, da mir die Antworten fehlten.
    Zu vorgerückter Stunde betrat ich erneut das Altarzimmer. Da ich nicht wußte, ob Herrn Urakus Worte meinen Meister womöglich beleidigt hatten, wollte ich als Wiedergutmachung die Flamme vor dem Altar hüten. Als ich die Schiebetür öffnete, war die Kerze ausgegangen, und der Raum lag im Dunkeln.
    Ich entzündete eine Kerze am Feuer und ging wieder zum Altar zurück. Mein riesiger Schatten auf der Schiebetür wirkte wie ein schwankendes Ungeheuer. Unwillkürlich fiel mir die Nacht im Myōkian ein.
    Ich entfachte das Licht auf dem Altar, setzte mich davor und blickte um mich. Da ich die Kerze in der linken Hand hielt, bewegte sich das Ungeheuer auf der Schiebetür rechts von mir. In jener Nacht im Myōkian hing eine Kalligraphie von dem Zeichen für »Tod« in der Nische. So etwas habe ich hier nicht. Statt dessen sind inzwischen Meister Rikyū und Yamanoue Sōji, der die Kerze hielt, selbst in den »Tod« gegangen.
    Ich war mir stets sicher gewesen, daß damals im Myōkian noch eine weitere Person zugegen war. Wer es war, habe ich weder damals noch später erfahren, aber nunweiß ich es. Es war Herr Oribe. Wer sollte es sonst gewesen sein? Er ist als dritter und letzter in den »Tod« gegangen, den die Kalligraphie verhieß.
    Lange habe ich nicht gewußt, was in jener Nacht geschah. Heute dagegen frage ich mich, wie ich etwas so Offensichtliches nicht begreifen konnte, und hege keinen Zweifel mehr, daß die drei Männer in jenem Raum einander gelobten, in den »Tod« zu gehen. Jeder von ihnen muß dieses Gelöbnis wortlos und ohne Absprache in seinem Herzen abgelegt haben. Alles entschied sich in dem Augenblick, als sich die drei Schicksale verbanden.
    »Das Nichts vernichtet nichts, auslöschen kann nur der Tod«, waren Yamanoue Sōjis Worte bei jener Teezeremonie im Myōkian. Und jeder von ihnen versuchte, sich nicht durch das Nichts, sondern durch den »Tod« auszulöschen. Doch was genau wurde da ausgelöscht? Was ist es, das ein Mann, der sich dem Weg des Tees verschrieben hat, nur durch seinen Tod zunichte machen kann? Uraku hat heute gesagt, Herr Oribe habe den Tod gesucht. Gewiß hat er recht damit. Sōji und mein Meister hatten ihr Gelöbnis vom Myōkian bereits erfüllt und waren in die andere Welt gegangen. Herr Oribe muß sich unablässig gefragt haben, warum er selbst noch verweilte. Er habe sich »geopfert«, sagt Uraku. Das ist sicher nicht falsch, aber richtiger wäre es zu sagen, Herr Oribe hat den Schwur eingelöst, den er in jungen Jahren im Myōkian abgelegt hatte.
    »Ich werde mir nicht den Bauch aufschneiden! Und dennoch Teemeister sein«, hat Uraku kühn verkündet. Da er nicht an dem Gelöbnis beteiligt war, gibt es auch keinen Grund dafür.
    Gegen ein Uhr morgens legte ich mich nieder und schliefsofort ein. Als ich um zwei erwachte, rauschten draußen die Bäume laut im

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