Der Tod des Teemeisters
tief ins Herz. Im Teehaus des Myōkian ist es im Herbst auch sehr still, dennoch ist es vor allem für den Winter geeignet. Seine kalte, winterliche Ruhe ist wunderbar. Herrn Urakus Teeklause hingegen eignet sich wohl am besten für den Herbst.
»Ich habe mich schon immer nach einem ruhigen Raum wie diesem gesehnt. Oft wurde ich gefragt, ob es hier nicht zu trostlos sei, doch ich empfinde es nicht so.«
»Nein, es ist wunderbar. Ich erlebe zum ersten Mal ein so ruhiges Teehaus.«
»Das glaube ich Euch. Es ist ganz anders als das von Meister Rikyū in der Villa Juraku.«
»Meister Rikyū hätte eine Teeklause wie die Eure gewiß über alle Maßen geschätzt.«
»Wer weiß? Doch selbst wenn, er hätte niemals hier sein können. Er durfte Taikō Hideyoshi ja nicht von der Seite weichen. In dieser Hinsicht hatte er es recht schwer. Wenn es soweit kommt, hört der Spaß auf. Aber laßt uns nicht mehr von Meister Rikyū sprechen und das Thema wechseln.«
»Ich war noch nie in einem so geräumigen Teehaus.«
»Man hört immer, je kleiner ein Teeraum sei, desto besser«, schaltete sich der Inhaber des Daitokuya ein. »Aber seit ich dieses geräumige Teehaus betreten habe, finde ich es herrlich, den Tee so einzunehmen. Ich bewundere Eure Exzellenz.«
»Auch kleine Teehäuser sind gut, aber ich wollte einen Raum, in dem man sich wohlfühlen kann. In einem engen Raum findet immer ein Kampf statt, den man nur gewinnen oder verlieren kann. Am Ende ergeht es einem dann wie Meister Rikyū . Man kann es nicht verhindern, den Tod herauszufordern.« Jäh hatte Meister Rikyū wieder in unserer Mitte Platz genommen.
»Warum hat der erlauchte Meister Rikyū den Tod herausgefordert?« fragte der Inhaber des Daitokuya. Die Frage schien sogar Herrn Uraku unangenehm zu sein.
»Tja, warum? Den offiziellen Grund kenne ich nicht, aber ich glaube, die Lösung ist ganz einfach. Wie oft hat der Taikō die Teezeremonie mit Meister Rikyū vollzogen?« wandte Herr Uraku sich an mich.
»Ich weiß nicht genau, Dutzende, vielleicht Hunderte von Malen. Während der Belagerung von Odawara und in Hakone kam er beinahe täglich.«
»Seht Ihr, und sooft der Großfürst zu Rikyū ins Teehaus kam – Dutzende, vielleicht Hunderte von Malen –, forderte er den Tod heraus. Er legte sein Schwert ab, trank Tee und bewunderte die Teeschale. Und überantwortete sich dem Tod. Jede Zeremonie war ein kleiner Tod. Vielleicht wollte der Großfürst einmal in seinem Leben demjenigen den Tod verkünden, der ihm das antat. Meint Ihr nicht?« sagte Herr Uraku.
Ich wußte nicht, inwieweit er es ernst meinte oder ob es sich um einen seiner Scherze handelte.
Der Inhaber des Daitokuya gab nicht auf.
»Man sagt, der Taikō hätte ihn sicher begnadigt, wenn er sich nur entschuldigt hätte.«
Herr Uraku zeigte keine Regung. »Rikyū war beim Tod vieler Samurai anwesend. Wie viele von ihnen sind in die Schlacht gezogen, nachdem sie bei Meister Rikyū Tee getrunken hatten? Und sie haben den Tod gefunden. Wenn man so viele gewaltsame Tode vorbereitet hat, darf man nicht auf seinem Lager sterben. Was meint Ihr?«
Herr Uraku sprach in unbeteiligtem Ton. Na, ist das keine vernünftige Erklärung? sagte seine Miene.
»Überdies war Rikyū ein großer Mann. Unter den vielen Teemenschen unseres Landes gibt es nicht einen, der sich mit ihm messen könnte. Der Meister ging seinen eigenen Weg, und er ging ihn allein. Er schuf seinen eigenen Teestil. Für ihn bedeutete die Teezeremonie keine Zerstreuung. Dennoch ging er nicht den Weg des Zen, sondern entschied sich für den Tod.
Aber lassen wir das. Wenn ich zuviel an Meister Rikyū denke, kann ich nicht schlafen«, sagte Herr Uraku.
Seine Worte erleichterten mich, so als hätte er alles gesagt, was ich nie zu sagen gewagt hatte. Ich glaube, Herr Uraku ist wirklich auf der Seite meines Meisters. Vielleicht kennt er ihn sogar von uns allen am besten.
In großer Achtsamkeit tranken wir eine zweite Schale Tee.
FÜNFTES KAPITEL
Heute habt Ihr, Herr Sōtan, Meister Rikyūs Enkel, Eure Schritte eigens in diese Einöde gelenkt, um mich zu besuchen. Vor ungefähr einem halben Monat hatte ich Euch nach zwanzig Jahren in Eurem neuen Teehaus wiedergesehen. Ich wußte nicht, ob ich wachte oder träumte, als wir diesen heiteren Nachmittag miteinander verbrachten. Ihr batet mich, von den großen Teegesellschaften zu erzählen, die Hideyoshi zu geben pflegte, solange sie noch in mir lebendig sind.
Also habe ich in den vergangenen
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