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Der Tod des Teemeisters

Der Tod des Teemeisters

Titel: Der Tod des Teemeisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasoushi Inoue
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wieder herbei.
    »Herr Uraku weilt in seinem Schreibpavillon«, sagte er. »Er bittet Euch, das Teehaus vorläufig nicht zu betreten, da er es Euch nach Sonnenuntergang zu zeigen wünscht.Bis dahin würde er gerne Eure Hilfe in Anspruch nehmen. Er hat einen Berg von Rollen und Gerätschaften aus dem Nijō-Schloß bekommen und möchte, daß Ihr dabei helft, sie zu ordnen.«
    Unverzüglich gingen wir hinüber zum Schreibpavillon, wo ich Herrn Uraku begrüßte. Dann beteiligte ich mich daran, die sich auf der Veranda türmenden Bildrollen und Gerätschaften in den Wandschränken zu verstauen. Uraku selbst brach, beschäftigt wie immer, mit einem Gehilfen zu einer benachbarten Pagode auf, wo er etwas zu erledigen hatte.
    Wir räumten etwa eine Stunde auf, dann aßen wir in dem ganzen Durcheinander mit den Hilfskräften zu Abend. Draußen war es inzwischen völlig dunkel. Ein Bote erschien, um uns in den Teepavillon zu rufen. Der Inhaber des Daitokuya und ich eilten hinüber und betraten das Gebäude durch das kleine Küchenkabinett.
    Herr Uraku hatte bereits den Platz des Gastgebers eingenommen. Nur eine Kerze erhellte den Raum, und ich vermochte keine Einzelheiten zu erkennen, ich spürte jedoch, daß dieses Teehaus anders war, als jedes mir bekannte. Nach der förmlichen Begrüßung konnte ich mich ein wenig umschauen. Es gab zwei Tatami für Gäste und eine für den Gastgeber, dessen Platz am Feuer durch einen Wandschirm mit einer Öffnung in Form einer Flamme abgetrennt war. So etwas hatte ich bislang noch nie gesehen.
    Herr Uraku richtete das Wort an uns.
    »Schaut Euch in aller Ruhe um. Dies ist ein schlichter Teeraum, ohne Kalligraphien und besonderes Gerät. Bei dieser Einweihungszeremonie soll es allein um den Tee gehen. Sitzt Ihr bequem?«
    »Ein wundervoller Raum«, lobte der Inhaber des Daitokuya.
    »Ich danke Euch für alles. Ihr müßt müde sein«, sagte Uraku. »Hört Ihr die Grillen?«
    Wahrhaftig, man hörte sie. Und nicht nur eine oder zwei. Der ganze Pavillon schien vom Zirpen zahlloser Insekten umfangen.
    Herr Uraku bereitete den Tee für uns. Das Kohlebecken stand ihm zur Seite, und er verwendete eine hellbraune koreanische Teeschale.
    »Gestern abend hatte ich die Herren vom Tempel zu Gast. Demnach ist die heutige Zeremonie die zweite, die ich hier abhalte. Ich bin noch nicht richtig eingerichtet und habe außer dieser Schale nichts mitgebracht«, sagte Herr Uraku.
    »Ist das die berühmte koreanische Schale, von der man immer hört?« erkundigte sich der Inhaber des Daitokuya, als er sie entgegennahm. Es handelte sich in der Tat um ein besonders eindrucksvolles und prächtiges Exemplar.
    »Ich habe noch etwas, eine Art Andenken an Herrn Oribe«, sagte Uraku, indem er einen Teespatel hervorzog und ihn an mich weiterreichte.
    »Das ist er! Für ihn hat Meister Oribe sich getötet!« Ich betrachtete den schmalen Bambuslöffel, der eine ganz besondere Ausstrahlung besaß. Sie übertraf die von Meister Rikyūs Teespatel. Ob der Besitzer des Löffels einen ebenso starken Charakter besessen hatte? Es war, als begegnete ich nach langer Zeit Herrn Oribe wieder.
    »Nächstes Mal, wenn ich eingerichtet bin, müßt Ihr Euch mein Teegeschirr anschauen. In den letzten zwei oder drei Jahren bin ich so beschäftigt gewesen, daß ich dafürkeine Zeit hatte. Ich möchte Euch beide einladen, wenn hier alles fertig ist.«
    »Ich liebe diese Stücke, denn sie sind keinen Veränderungen unterworfen«, fügte er hinzu. »Ein Mann des Tees hat naturgemäß ein Herz, und man kann sich nicht auf ihn verlassen. Da sind Gegenstände besser, da man stets darauf vertrauen kann, daß sie sich treu bleiben.«
    Er unterbrach sich kurz, ehe er weitersprach.
    »Die Gegenstände hängen von den Menschen ab, die sie besitzen, nicht wahr?« So etwas zu sagen war typisch für Herrn Uraku.
    »Viele Gerätschaften weinen, weil ihr Besitzer ein ungehobelter Klotz ist. Man kann ihr Klagen hören. Lauter als das Zirpen der Grillen, und trauriger. Ich höre sie rufen: Hol mich heraus, hol mich heraus.
    Neuerdings höre ich Herrn Oribes Gerätschaften klagen: Rette uns, flehen sie mich an. Aber wie soll das gehen? Ich weiß nicht einmal, was aus ihnen geworden ist. Sie waren bereits überall verstreut, als Herr Oribe noch lebte. Man kann nichts tun. Es fällt mir schwer, über ihn zu sprechen, also laßt uns von etwas anderem reden.«
    »Es ist sehr ruhig hier, nicht wahr?« sagte ich.
    Wahrhaftig senkte sich mir die dort herrschende Stille

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