Der Tod des Teemeisters
aus.«
»In schwierigen Zeiten wie diesen ist das vielleicht sogar das beste. Alles ist damit bereinigt. Hat man wie wir – der Clan der Oda – die Gelegenheit verpaßt, müssen die Nachkommen dafür büßen. Wenn ich leide, leiden auch meine Söhne. Herr Sansai dagegen – kennt Ihr Herrn Sansai?«
»Als Meister Rikyū noch lebte, war er so gütig, hin und wieder das Wort an mich zu richten, aber das ist lange her.«
»Hosokawa Sansai hat da eine ganz andere Einstellung. Er betrachtet die Oda oder die Tōyōtomi nicht als seinem Clan ebenbürtig. Ich glaube, die einzigen, die für ihn zählen, sind die Hosokawa, die auf Yūsai zurückgehen. Alle anderen können seinethalben aussterben. Das ist nur wieder eine Vermutung von mir, ob er wirklich so denkt, weiß ich nicht. Habt Ihr Yamanoue Sōji gekannt?«
»Nein, ich bin ihm nie persönlich begegnet. Ich habe lediglich seine Abhandlung über das Geheimnis des Tees gelesen, die er in Odawara geschrieben hat. Sein SchülerKōsetsusai hatte sie mir geliehen. Ich habe noch eine Abschrift.«
»Herr Kōsetsusai ist auch verstorben, nicht wahr?«
»Schon vor acht Jahren.«
»Und seit Sōjis Tod sind bereits siebenundzwanzig Jahre vergangen. Ich weiß ja nicht, aber seinen Sekundanten muß recht mulmig zumute gewesen sein, als er sich den Bauch aufschnitt und sie dabei mit seinem unheimlichen Gesicht anstarrte.«
»Also hat er sich wirklich durch das Schwert getötet?« »Gewiß doch!«
»Herr Kōsetsusai glaubte, er sei entkommen.«
»Nein, so raffiniert war er nicht, auch wenn er aus der Burg Odawara entwischen konnte. Aber dann erschien er vor Hideyoshi und sagte etwas, ich weiß nicht was, aber ich hätte es gern gehört. Jedenfalls fiel der Taikō fast auf den Rücken. Und verurteilte ihn zum Tode.«
Uraku überlegte.
»Alle drei – Sōji, Rikyū und Oribe – mußten Selbstmord begehen. Ein Teemensch hat es wahrlich schwer. Kaum hat er die Meisterschaft erreicht, muß er sich auch schon entleiben. Ohne Bauchaufschneiden kein Meister. Aber im Augenblick gibt es niemanden, der dazu bereit wäre. Oder seht Ihr hier jemanden? Macht Euch keine Sorgen. Ich werde das nicht tun. Und dennoch ein Meister der Teekunst sein.«
Es ergab sich nicht, ihn zu unterbrechen, und so hörte ich schweigend zu.
»Besucht mich doch einmal in meinem Teepavillon. Ihr habt gewiß nicht häufig Gelegenheit auszugehen. Ich will Euch ein paar Kunstgegenstände zeigen.«
»Ich verstehe nichts davon, aber wenn Ihr so gütig wärt,sie mir zu zeigen, käme ich mit Vergnügen. Wie Ihr sagt, ich gehe nie irgendwohin. Dennoch ist mir zu Ohren gekommen, daß man neuerdings zum reinen traditionellen Stil Meister Rikyūs zurückzukehren sucht. Gibt es diese Strömung denn wirklich?«
»Kann sein. Allerdings ist der echte traditionelle Stil älter als der Meister Rikyūs. In jenen Zeiten mußte man sich als Teemeister wahrscheinlich nicht den Bauch aufschneiden.« Herr Uraku brach in lautes Gelächter aus. Es war das erste Mal, daß ich ihn lachen hörte. Es klang heiser, seine Miene blieb dabei kühl und unbewegt.
In diesem Augenblick betrat der Inhaber des Daitokuya den Raum.
»Entschuldigt, daß ich Euch warten ließ. Ich habe die Mönche aus dem Fukō- und dem Teikei-Tempel mitgebracht. Was soll mit ihnen geschehen?«
»Bringt sie rein«, sagte Herr Uraku, und ich nutzte den Moment, mich zu verabschieden.
Gegen fünf traf ich wieder in meiner Klause ein. Die Tage sind um diese Zeit merklich kürzer, und es war schon fast dunkel.
Ich machte Licht, entfachte ein Feuer und setzte mich still davor. So müde war ich lange nicht gewesen. Ich schenkte mir einen kleinen Becher Sake ein, den ich langsam und in Gedanken versunken an die Lippen führte. Die Begegnung mit Herrn Uraku hatte mich erschöpft. Jemandem wie ihm bin ich wohl noch nie begegnet. Ich weiß nicht, ob er ein gütiger Mensch ist oder nicht, er ist sehr schwer einzuschätzen. Selbst wenn man ihm gut folgen kann und seine Ansichten teilt, kann sich das Blattvon einem Augenblick zum anderen wenden. Ist man andererseits von seinen wunderlichen Reden verwirrt, stellt sich plötzlich ein Moment ein, in dem sie einem klar und richtig erscheinen.
Es ist schwer zu beurteilen, ob er Herrn Oribe bewundert oder verachtet. Das gleiche gilt für Meister Rikyū . Ist Oda Uraku auf seiner Seite oder nicht? Ich weiß es nicht, beides wäre möglich. Am meisten beschäftigte mich sein lautes Gelächter zum Schluss. Was hat ihn so zum
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